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: Emirates Stadion? Hoch „Maggi“? Wenn Dinge zur Marke werden

Namensstreit: Markenskeptiker und Brandingsympathisanten streiten sich so wie im Mittelalter Realisten und Nominalisten

HSV-Fans haben es schwer. Nun hatten sie sich gerade einigermaßen daran gewöhnt, dass das alte Volksparkstadion AOL-Arena heißt – und nun müssen sie schon wieder umlernen: Ab der nächsten Saison wird im Emirates Stadion gespielt! Nach sechs Jahren wollte der Internet-Provider den Vertrag nicht mehr verlängern, der ihm für rund drei Millionen Euro pro Jahr die Namensrechte am Stadion übertrug. Dafür jetzt also eine arabische Fluggesellschaft als Namenspate … Doch die Hamburger scheinen es gelassen zu nehmen. Vor sechs Jahren hingegen gab es noch heftige Auseinandersetzungen. So empfanden es viele als aggressive Geste, dass es Funktionären und Spielern verboten wurde, weiterhin den alten Stadionnamen zu verwenden. Manche befürchteten sogar, mit dem neuen Namen würde die Seele des Stadions oder des Vereins verloren gehen. Andere hingegen fanden, dass nie zuvor so leicht und schmerzlos – mit einer bloßen Namensänderung – Geld zu verdienen war.

Ähnliche Diskussionen gibt es immer wieder, sobald ein Unternehmen versucht, seinen Namen zu verbreiten und etwas Etabliertes umbenennen zu lassen. Nicht nur Stadien, sondern ebenso Gebäude und Events sind beliebte Objekte. Aber auch die Fußball-Bundesliga wird wohl bald nach einer Marke benannt werden; den Ligen in den meisten anderen Ländern ist dasselbe bereits widerfahren. Bei Debatten über Sinn und Unsinn solcher Namenswechsel stehen sich Markenskeptiker und Brandingsympathisanten ganz mittelalterlich gegenüber, wiederholen sie doch den Streit, der in der Scholastik zwischen Realisten und Nominalisten geführt wurde. Vertraten erstere die Ansicht, dass die Namen fest zu den Dingen gehören und daher nicht geändert werden können, ohne die Sache zu verraten, sahen letztere in den Namen bloß Labels, die man Dingen anklebt und die man ohne weiteres ändern darf. Für sie war ein Name wie ein Gebrauchsgegenstand, den man austauscht, wenn er nicht mehr gefällt.

Erstmals wurde diese Position sogar schon in Platons Dialog „Kratylos“ (ca. 380 v. Chr.) erörtert. Dort vertrat Hermogenes, ein Gegenspieler des Sokrates, die Auffassung, „dass die Namen durch Vertrag und Übereinkunft ihre Richtigkeit haben“. Und weiter: „Der Name, den man einer Sache zuspricht, ist jeweils auch der richtige; und wenn man etwas wieder umbenennt und den alten Namen nicht mehr verwendet, dann ist der neue ebenso richtig, wie es zuvor der alte war. (…) Denn kein Name kommt einer Sache von Natur aus zu, sondern nur durch Setzung und Gewohnheit derer, die ihn gebrauchen.“

Jeder Branding-Manager wird sich über solche Sätze freuen und munter damit fortfahren, nach umbenennbaren Objekten zu fahnden. Auch Hermogenes konnte schon auf praktische Erfahrung verweisen. So erwähnt er Sklaven, die bei einem Eigentümerwechsel jedes Mal einen neuen Namen erhielten. Das Beispiel macht bewusst, wie viel Benennen mit Besitzanspruch und Machtausübung zu tun hat. Allerdings sind den Reichen und Starken durchaus Grenzen gesetzt. Nicht jede Umbenennung gelingt nämlich, und es scheint, als hätte die Partei der Realisten zumindest nicht ganz unrecht. So kann eine Sache eine Abstoßungsreaktion gegenüber einem Namen entwickeln, was belegt, dass doch nicht jeder Name gleich gut für jedes beliebige Objekt passt. Die in der Markenkultur beliebte Spielart von Namedropping wird also zum Flop, sobald der Eindruck des Willkürlichen vorherrscht. Dann würde auch ein Vielfaches der für das Namensrecht gezahlten Summe nicht helfen.

Als willkürlich wird aber nicht nur ein unpassender Name, sondern auch ein zu häufiges Umbenennen empfunden. Kommt man sich nicht blöd dabei vor, wenn man alle paar Jahre einen neuen Namen für eine alte Sache verwenden soll? Vielleicht macht der HSV-Fan den erneuten Wechsel noch mit, aber wenn er in ein paar Jahren sein Stadion wieder anders nennen soll, könnte er streiken. Auch Sportreportern, die sich viele Stadionnamen merken müssen, dürfte der Namenszirkus, der ja nicht nur in Hamburg stattfindet, bald lästig fallen. Sie brauchen dann einen Spickzettel, um sich zu vergewissern, welcher Name gerade wo gilt. So sind der Umbenennungsfrequenz wohl natürliche Grenzen gesetzt.

Allerdings zeigt ein aktuelles Beispiel, dass es doch noch schneller gehen kann. So hieß das letzte Hoch nicht „Michaela“ oder „Margit“, sondern „Maggi“. Das Institut für Meteorologie in Berlin, das die Namen für Hochs und Tiefs vergibt, machte es möglich. Und die Mediaagentur, die die Idee hatte, triumphierte: „Die Wetterpatenschaft ist ideal, um die Maggi-Küche mit frühlingshafter Frische in Verbindung zu setzen.“ Wenn sich Namen aber erst mal so rasch wie das Wetter ändern, dann braucht man sie sich auch nicht mehr zu merken. Sie mögen dann geschäftig umherschwirren – doch sie können einem endlich egal sein. WOLFGANG ULLRICH