Zu wenig Seepferdchen

Schwimmunterricht in den 3. und 4. Klassen führte nicht zum gewünschten Erfolg. Über 1.500 Kinder haben es nicht geschafft, schwimmen zu lernen. Die Schulbehörde will erst im Sommer Bilanz ziehen

VON KAIJA KUTTER

Als der Hamburger Senat das Schulschwimmen an die städtische Bäderland GmbH übergab, setzte er sich ein hohes Ziel: Jedes Kind sollte schwimmen lernen. In einer Ziel- und Leistungsvereinbarung wurde festgelegt, dass 95 Prozent der Kinder am Ende des halbjährigen Schwimmunterrichts, der entweder in der dritten oder vierten Klasse stattfindet, das „Seepferdchen“ erreichen sollen – so heißt eine Frühschwimmerprüfung, für die die Kinder sich 25 Meter über Wasser halten können müssen. Nochmals 70 Prozent sollten den Freischwimmer schaffen, heute „Jugendschwimmabzeichen Bronze“ genannt.

Wie die taz im Januar nach einer Umfrage an Schulen berichtete, wurde dieses Ziel in ärmeren Stadtvierteln weit verfehlt. Inzwischen wurde dies durch eine Kleine Anfrage der SPD-Abgeordneten Sabine Boeddinghaus bestätigt. Demnach waren 1.524 von 7.753 teilnehmenden Kindern am Ende des Schwimmunterrichts immer noch Nichtschwimmer, das sind etwas über 20 Prozent. Die angestrebte Seepferdchen-Quote von 95 Prozent wurde nur in jeder fünften Klasse erreicht (34 von 163 Klassen).

„Dieses Ergebnis übertrifft meine schlimmsten Befürchtungen“, sagt Boeddinghaus und verweist darauf, dass die Stadt im Zuge des neuen Konzepts den Schwimmunterricht rein zeitlich von einem auf ein halbes Jahr gekürzt und zwei Millionen Euro gespart hatte. Dieses verkürzte Verfahren sei „furchtbar gescheitert“, sagt die Schulpolitikerin. „Alle Kinder müssten doch mindestens lernen, sich über Wasser zu halten“. Die CDU-Schulsenatorin Alexandra Dinges-Dierig solle „um der Kinder Willen“ den Sparkurs korrigieren.

Die Zahlen variieren etwas zwischen den 3. und 4. Klassen. Bei den Jüngeren hat ein Viertel, sprich 575 von 2.225 Schülern, kein Abzeichen errungen, bei den Viertklässlern ist es ein knappes Fünftel, 949 von 5.498 Schülern.

Deutliche Unterschiede gibt es zwischen einzelnen Schulen. An zwölfen schaffte nicht mal die Hälfte die Prüfung, die meisten davon liegen in ärmeren Vierteln. Darunter ist die Schule Oppelner Straße in Jenfeld, die Schule Grumbrechtsstraße in Heimfeld, Röthmoorweg in Schnelsen-Süd, Vizelinstraße in Lokstedt und Fährstraße in Wilhelmsburg.

Bäderland-Sprecherin Kirsten Morisse hatte im Januar auf die taz-Umfrage hin erwidert, die Ergebnisse seien noch „vorläufig“ und würden bis zum offiziellen Halbjahresende im Februar noch verbessert. Dies trat auch ein. So machten zum Beispiel an der Grumbrechtstraße am Ende nicht nur zehn, sondern 33 Kinder ihr Seepferdchen. Doch es bleibt bei einer niedrigen Quote, die übrigen 35 Kinder schafften das Abzeichen nicht. „Für diese Kinder reicht ein halbes Jahr einfach nicht aus“, sagt Boeddingshaus. „Vorher, bei einem ganzen Jahr Unterricht, haben die meisten Kinder schwimmen gelernt“. Auch spiele möglicherweise eine Rolle, dass den Kindern die Bezugsperson fehle, Bademeister seien eben nicht so vertraut wie die Lehrer.

Bildungsbehördensprecher Thomas John räumt ein, dass an „bestimmten Schulen“ die Ergebnisse „nicht so gut wie an anderen sind“. Dies sei aber auch schon früher so gewesen. „Wir wissen, es gibt Eltern, die sich frühzeitig ums Schwimmenlernen kümmern und andere, die das nicht tun“. Über Sonderlösungen für Schulen in ärmeren Stadtteilen denkt man in der Behörde jedoch noch nicht nach. John: „Erst mal wollen wir die Gesamtauswertung im Sommer abwarten.“ Denn bislang ist erst die Hälfte der Schüler mit den Kursen fertig, die übrigen sind noch dabei.

Boeddinghaus fordert dagegen die sofortige Wiedereinführung des ganzjährigen Schwimmunterrichts. An nächsten Dienstag wird das Thema im Schulausschuss diskutiert.