Die große Liebe der Soldaten

Glamour allein schützt nicht vor falschen Bündnissen. In seiner Verehrung für „Zarah Leander“ verläuft sich das Schwule Museum etwas in entschuldigenden Bemühungen: Soldaten in Frauenklamotten zu stecken ist noch lange kein Antifaschismus, auch wenn es 1941 passiert

Das Schwule Museum macht wieder einmal eine Diva zum Thema einer Ausstellung, und wie immer wird die Diva von den Ausstellungsmachern rückhaltlos geliebt: Zarah Leander, die in diesem Monat ihren hundertsten Geburtstag hätte feiern können. „Zarah hatte immer ein Herz für die Schwulen, die es ihr mit übergroßer Anhänglichkeit und Zuneigung dankten. Kein anderer Star hat den – auch nach dem Dritten Reich verfolgten – Schwulen so nahe gestanden wie Zarah Leander“, begründet der Ankündigungstext diese Hommage.

Böse Zungen behaupteten, dass ihre Konzerte immer montags stattgefunden hätten, weil da die Frisöre frei hatten. Das erzählt Rosa von Praunheim. Bruno Balz, der Songtexter, dem die Leander einige ihrer größten Liederfolge („Kann denn Liebe Sünde sein“) verdankte, war schwul. Einige der Exponate stammen aus seinem Nachlass. Tatsächlich hatte sich die Sängerin auch im so genannten Dritten Reich immer dagegen verwahrt, ihre Kontakte zu Schwulen einzuschränken: „In meiner Freizeit suche ich mir meine Freunde selber aus.“

Bereits beim Betreten des Ausstellungsraums wird der Blick von einem ihrer Kleidungsstücke gefangen genommen, einem Frankfurter-Kranz-farbenen Kostüm hinter Glas, daneben eine ihrer berühmten Sonnenbrillen. Auch Filmplakate sind ausgestellt, Entwürfe für ihre Kostüme, Fotos von Prominenten – etwa Marlene Dietrich, die gefragt haben soll, welcher Mann denn da singe, als sie die tiefe Altstimme der Leander hörte. Ihre Platten sind zu sehen, auch ein Konzert vor einer Menge von „Freunden“ findet ausgiebige Würdigung. Doch vor einer Wand, die fast vollständig mit Fotos der Diva eingedeckt ist, wird es richtig haarig. Denn dort hängt auch ein Foto von Joseph Goebbels, der, wie Himmler, zu ihren prominenten Verehrern und Beschützern gehörte. Es hängt einfach kommentarlos inmitten der anderen Bilder.

Überhaupt sind die Nazis zugleich abwesend und anwesend in diesem Fanprojekt. Die große „Zarah“ selbst erscheint wie von allen Vorwürfen reingewaschen. Dabei kann man nicht einmal sagen, dass sie eine notorische Nazisse war. Sie kroch – anders als etwa Heinz Rühmann – nicht ganz so tief in den Enddarm des Reichspropagandaministers.

Man muss sogar anerkennen, dass sie, wenn auch erst 1942, das Reich floh und eben nicht durchhalten wollte bis zuletzt. Das ändert aber nichts daran, dass sie spielte, dieweil andere wie eben die Dietrich sich auch mit Unmengen von Geld nicht locken ließen. Sie log sich vor: „Beim Film gibt es keine Nazis.“ Zarah Leander ging erst 1942 endgültig in ihre schwedische Heimat zurück, nach dem Wehrmachtsdebakel von Stalingrad, das bereits vom Untergang Nazideutschlands kündete.

Die Aussteller verfallen auf die krude Idee, ihr ausgerechnet dort, wo sie für gutes Geld im Auftrag der Nazis den Deutschen suggerieren half, dass es im Nazistaat auch ein bisschen Glamour gebe, antifaschistische Ambitionen zu unterstellen. Die Tänzerinnen nämlich, die im Propagandafilm „Die große Liebe“ von 1941 hinter ihr zu sehen sind, waren in Wirklichkeit Männer, Soldaten, die man ihrer Größe wegen anstelle von Frauen eingesetzt hatte. Ob es nicht gleichsam eine antifaschistische Tat gewesen sei, Soldaten in Fummel zu stecken, fragt der zugehörige Text. Diese Frage ist nicht nur dumm, sie ist obszön. Und sie beschmutzt all diejenigen, deren Konterfeis in der wunderbaren Ausstellung im zweiten Raum des Schwulen Museums, die an den Literaturwissenschaftler und „Außenseiter“ Hans Meyer erinnern soll, gezeigt werden. Etwa das der großen Hedy Lamarr, deren Foto direkt neben der Tür zum Leander-Devotionalienraum hängt. Sie wusste, dass man gegen die Nazis kämpfen muss und tat das: Neben ihrer Arbeit als Schauspielerin in Hollywood entwickelte sie eine 1942 patentierte Funkfernsteuerung für Torpedos. So geht wahres Diventum.

JÖRG SUNDERMEIER

Kann denn Liebe Sünde sein? Zarah zum Hundersten, bis 28. 5., Schwules Museum, Mehringdamm 61, täglich außer dienstags, 14 bis 18 Uhr