Kritische Laudatio auf den Ehrenbürger

Berlins Bürgermeister Wowereit müht sich, die Auszeichnung für Wolf Biermann als Konsens-Entscheidung hinzustellen – und weist dessen Kritik am rot-roten Senat dann doch recht schroff zurück. Trotz des Streits gibt sich der Liedermacher amüsiert

AUS BERLIN RALPH BOLLMANN
UND ROLF LAUTENSCHLÄGER

Ein Laudator, der dem Gelobten gleich am Anfang seiner Rede widerspricht – das hat es bei der Kür eines Berliner Ehrenbürgers wohl noch nicht gegeben. „Berlin hat eine demokratisch gewählte und legitime Regierung“, hielt der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) gestern im Rathaus der Hauptstadt dem neuen Ehrenbürger Wolf Biermann entgegen, der die rot-rote Landesregierung am Wochenende als „verbrecherisch“ kritisiert hatte. „Jeder kann für eine andere Regierung eintreten“, sagte Wowereit abweichend von seinem vorab verbreiteten Redetext. Es gehe aber zu weit, den Senat als kriminell zu verunglimpfen. „Das weise ich entschieden zurück.“

Wowereit war gestern in einer misslichen Lage. Schließlich musste er einen Mann loben, dessen Ehrung er und seine SPD zunächst abgelehnt und nach massivem öffentlichem Druck dann doch befürwortet hatten. Der Bürgermeister suchte sich in die Formel zu retten, Ehrenbürgerwürden würden nicht von Personen oder Parteien vergeben, sondern von der Stadt. Es sei immer sein Bemühen gewesen, darüber einen Konsens herzustellen – was in diesem Fall, so viel musste Wowereit dann doch zugeben, erst nach öffentlicher Diskussion gelungen sei.

Biermann nahm die Umstände seiner Ehrung betont gelassen. Er habe „das Possenspiel um die Ehrenbürgerwürde halb amüsiert, halb verärgert verfolgt“. Es sei ihm immer daran gelegen gewesen, Ehrenbürger zu werden – oder, ganz allgemein, „gelobt zu werden“. Der Stadt Berlin verdanke er alles. In seiner Rede ging er außerdem auf seine Freunde und andere Oppositionelle zu DDR-Zeiten ein, „ohne die ich nichts erreicht hätte.“

Lange Zeit schien es fraglich, ob Wolf Biermann überhaupt die Ehrenbürgerwürde erhalten würde. Noch im Januar sträubten sich der Regierende Bürgermeister und große Teile der SPD-Fraktion gegen diese Auszeichnung. Fraktionschef Michael Müller bezeichnete Biermanns Verdienste für Berlin als „umstritten“. Insbesondere Biermanns polemische Kritik an der ersten rot-roten-Koalition 2001 in Berlin und dessen Plädoyer für den Irakkrieg hatten die Genossen nachhaltig verstimmt.

Auch der Koalitionspartner Linkspartei/PDS votierte vehement gegen die Initiative, Biermann die Ehrenbürgerschaft anzutragen. Insbesondere passte der PDS die harsche Kritik an der SED-Vergangenheit der Partei nicht, die der 1976 aus der DDR ausgebürgerte Dissident mehr als einmal formulierte. Eine Würdigung Biermanns durch die Linkspartei, verdrehte der einstige PDS-Kultursenator Thomas Flierl Ursache und Wirkung, könne dieser doch wohl von sich aus nicht wollen.

Biermann aber wollte die Ehrenbürgerschaft. Im Oktober 2006 hatte der CDU-Abgeordnete und Vizepräsident des Abgeordnetenhauses, Uwe Lehmann-Brauns, beantragt, Biermann zum 115. Ehrenbürger der Stadt zu ernennen. Lehmann-Brauns ist Anwalt und Freund des Liedermachers. Grüne und FDP unterstützten den Vorschlag.

Unter dem Druck der öffentlichen Meinung und nach herber Kritik aus der Bundes-SPD beugten sich schließlich die Berliner Sozialdemokraten. Das Votum für die Biermann-Ehrung begründete Müller dann mit dessen „herausragendem politischem Engagement“ und seiner Lebensleistung für die Stadt. Auch darum hat man der SPD in Berlin ihre Kehrtwende nie ganz abgenommen und ist über sie mehr irritiert als über die PDS. Die hielt Fahrt und enthielt sich – aus Koalitionsgründen – bei der Abstimmung im Parlament.