Kriminelle Zustände im Knast

Die Situation im Jugendvollzug Plötzensee wird immer schlimmer: zu viele Gefangene, zu wenig Personal, zunehmende Gewalt. Jugendliche müssen besser resozialisiert werden, fordern Juristen

VON PLUTONIA PLARRE

Jugendrichter, Rechtsanwälte und Staatsanwaltschaft schlagen Alarm: Die Jugendstrafanstalt Plötzensee ist so überfüllt, dass ein erzieherisches Einwirken auf die Gefangenen kaum noch möglich sei. Es gebe viel zu wenig Personal; das vorhandene werde durch hohe Krankenstände weiter reduziert. Nicht selten komme es zu Gewaltausübungen und Raubtaten unter den Gefangenen. Auch der Berliner Vollzugsbeirat, ein Zusammenschluss von Anstaltsbeiräten der Gefängnisse und Mitgliedern gesellschaftlicher Institutionen, weist seit geraumer Zeit auf das Problem hin. Passiert ist bisher nichts.

Die Jugendstrafanstalt Plötzensee ist nicht der einzige Knast, der überfüllt ist. Nirgendwo sonst ist die Überbelegung aber so groß und so von Dauer wie im Jugendgefängnis. Die Belegungsquote in Plötzensee beträgt zurzeit 128 Prozent: 468 Haftplätze stehen 597 Inhaftierten gegenüber. Denn die Jugendrichter, die in der Vergangenheit von den Medien unter Beschuss genommen worden sind, angeblich zu lasch zu urteilen, tendieren zunehmend dazu, jugendliche Gewalttäter hinter Gittern zu schicken.

Der im Jugendgerichtsgesetz festgeschriebene Auftrag, den Jugendlichen durch Arbeit, Unterricht und sinnvolle Freizeitbeschäftigung zu einem rechtschaffenen, verantwortungsbewussten Menschen zu erziehen, wird bei solchen Zuständen zur Farce. Wenn man die Jugendlichen schon wegsperre, müsse die Zeit im Knast wenigstens sinnvoll genutzt werden, sagt Peter Zuriel, Vorsitzender der Vereinigung Berliner Strafverteidiger. Seine Forderung: „Bildung, Bildung und nochmals Bildung“. Die koste zwar viel Geld. „Aber wenn die Leute rückfällig werden, kostet das viel mehr.“

Auf einer Veranstaltung der Strafverteidiger-Vereinigung letzte Woche hatten mehrere Jugendrichter die Zustände im Jugendknast mit drastischen Worten beklagt. Die Staatsanwaltschaft und der Bund Deutscher Kriminalbeamter sehen das genauso. Im Jugendvollzug würden „jede Menge Gewaltdelikte begangen“, bestätigt ein Ermittler.

Auf Nachfrage der taz ließ Justizsenatorin Gisela von Aue (SPD) gestern durch ihre Sprecherin Barbara Helten mitteilen: „Die Zustände sind uns bekannt. Wir sind im Begriff, Abhilfe zu schaffen.“ Durch die Eröffnung des neuen Haftkrankenhauses seien im Strafvollzug Plätze frei geworden, die nach einem Umbau für Jugendliche genutzt werden sollten.

Im Klartext: Das Haus II in der Männerstrafanstalt Plötzensee wird für jugendliche Untersuchungshäftlinge freigemacht. Mit der Belegung der insgesamt 89 Haftplätze soll laut Helten bis zum Sommer begonnen werden.

Der Vorsitzende des Berliner Vollzugsbeirats, Olaf Heischel, glaubt nicht daran, dass die alleinige Nutzung des Haus II Plötzensee zu einer Veränderung führt: „Was wir brauchen, ist speziell ausgebildetes Personal.“