Die Subkultur schlägt zurück

Mit einem „Langen Wochenende der Rigaer Straße“ wollen Hausprojekte „unkommerzielle Lebensformen“ vorstellen. Ganz unschuldig am beklagten Strukturwandel sind sie selbst nicht

von PETER NOWAK

Mit einer Doppeldemonstration hat am Freitag das „Lange Wochenende der Rigaer Straße“ begonnen. Der Titel erinnert an Events wie die langen Nächte der Museen oder der Wissenschaften. Doch genau damit wollen die OrganisatorInnen nicht in Zusammenhang gebracht werden. „Wir wollen zeigen, dass selbstbestimmte Räume und unkommerzielle Lebensformen in Berlin weiter existieren“, so eine Mitorganisatorin der dreitägigen Mischung aus Workshops, Volxküche und Party.

Dazu haben sich verschiedene Clubs und Vereinslokale zusammen geschlossen. Sie heißen XB, Beamer oder Kontrollpunkt, gemeinsam ist ihnen, dass sie Räume in einst besetzten und größtenteils legalisierten Hausprojekten nutzen, dass das Bier dort deutlich billiger ist als in den umliegenden kommerziellen Lokalitäten – und dass ihre Zukunft ungesichert ist. So droht dem Eckhaus Liebigstraße 34, wo das XB sein Domizil hat, die Zwangsversteigerung und die Kadterschmiede in der Rigaer Straße 94 ist dem Hauseigentümer Suitbert Beulker seit Jahren genauso ein Dorn im Auge wie die BewohnerInnen des Hinterhauses.

Beim Fischladen in der Rigaer Straße 83 sind die Besitzverhältnisse klar. Das kürzlich renovierte Haus ist Teil des Miethäusersyndikats. Wenn auch unmittelbarer Räumungsdruck wegfällt, bleiben doch ökonomische Zwänge. „Die Straßen werden immer schicker, Konsumpaläste und noble Yuppiebars werden errichtet. Damit steigen Mieten und allgemeine Lebenskosten. […] Viele Hausprojekte, Wagenplätze und autonome Strukturen sind von diesen Problemen betroffen“, heißt es im Aufruf für das Aktionswochenende. Dort wird auch betont, man wolle die Freiräume nicht nur erhalten, um es sich dort gemütlich zu machen, sondern um Strukturen für linke Projekte und Gruppen zu schaffen. Sogar die Situation von Menschen mit wenig Geld, die sich nicht als Teil der Subkultur begreifen, wird kurz erwähnt.

Doch so recht glauben die OrganisatorInnen wohl selbst nicht, dass sich der Hartz-IV-Empfänger aus der Nachbarschaft an den Protesten beteiligt. Für das Wochenende sind zwar Arbeitsgruppen zu Häuserräumungen in Amsterdam, zur Polizeitaktik in Deutschland und zur Kommunikation in politischen Gruppen geplant, nicht aber zur Situation von Erwerbslosen und Billiglöhnern. Der Schwerpunkt des Wochenendes liegt sowieso auf den (sub)kulturellen Aktivitäten. Diskos, Konzerte und Partys bringen sicherlich auch Menschen in die Rigaer Straße, die für Szenedebatten kein Ohr haben.

Allerdings geraten damit die OrganisatorInnen in einen Widerspruch. Die Umstrukturierung, die sie mit den politischen Aktionen bekämpfen wollen, könnte hinter den Rücken der Beteiligten durch eine Club- und Partykultur gefördert werden. Oft wird gerade die Subkultur ungewollt zum Trüffelschwein, das die Stadtteile für die Kommerzkultur erschließt. Davon liest man in den Mobilisierungsmaterialien allerdings nichts.

langeswochende.blogspot.com