Die Uni Lüneburg saniert sich

An der Lüneburger Universität ist ein neues Audimax im Gespräch: 100 Millionen Euro könnten in die Hand genommen werden, um einen Daniel-Libeskind-Bau zu errichten. StudentInnen kritisieren, an Entscheidungen nicht beteiligt zu werden

AUS LÜNEBURG KARIN CHRISTMANN

Die Mitglieder der Universität Lüneburg konnten sich in den vergangenen Jahren über viel beklagen: über unbesetzte Professuren, über die dürftige Ausstattung der Bibliothek, über Raummangel. Aber über Langeweile konnte sich niemand beschweren: Die Uni musste mit der örtlichen Fachhochschule fusionieren und außerdem auf Bachelor- und Master- Abschlüsse umstellen. Atem holen durfte sie danach nicht. Ein neuer Unipräsident trat seinen Dienst an, Sascha Spoun. Seit Mai 2006 hat er der Uni eine Radikalkur verordnet. Der neue Name, „Leuphana“, steht für die Neuausrichtung.

Spoun ist auf dem besten Wege, sich als effizienter Uni-Reformer einen Ruf zu machen. Als „deutschlandweit einzigartig“ stellt die Uni ihr neues Studienmodell, den Leuphana-Bachelor, vor. Spoun selbst fällt auch deshalb auf, weil er erst 38 Jahre alt und damit Deutschlands jüngster Uni-Präsident ist. Doch in Lüneburg steht sein Präsidium auch in der Kritik. Der „Vertrauensvorschuss“, den es bei Amtsantritt des neuen Präsidenten gab, „ist aufgebraucht“, stellten die Studierendenvertretung (AStA) und das Studierendenparlament Anfang März fest. Sie fühlen sich von wichtigen Reformen überrumpelt. Im Moment kreist die Gerüchteküche auf dem Campus vor allem um einen möglichen millionenschweren Neubau. „Ich gehe davon aus, dass am 25. Mai Pläne für einen neuen Großbau vorgestellt werden“, sagt Ferdinand Müller-Rommel, einer der Vizepräsidenten. Aus dem Umfeld der Universität sind schon konkrete Pläne durchgesickert, die klarmachen, dass es sich um ein ambitioniertes Projekt handeln könnte: 100 Millionen Euro könnte der Bau demzufolge kosten und 15.000 Quadratmeter Fläche für einen Hörsaal mit mehr als 1.000 Sitzen und Platz für Forschungseinrichtungen bieten. Auch von einem privaten Sponsor, der 30 Millionen Euro zuschießt, ist – vom Präsidium noch unkommentiert – die Rede. Doch die Vertreter der Studierenden müssen Zeitung lesen, um Näheres zu erfahren. Matthias Fabian, Sprecher des Lüneburger AStA, sagt: „Offiziell wissen wir nur, dass es keine faktische Grundlage für die Audimax-Gerüchte gibt.“

Architekt des Neubaus soll möglicherweise niemand geringeres als Daniel Libeskind sein. Lüneburger Studenten sind bereits für einen Workshop mit Libeskind nach New York geflogen und haben dort „gestalterische Leitgedanken“ für einen modernen Campus entwickelt, wie die Universität mitteilt. „Es darf nicht wie bei der Namensfindung wieder passieren, dass ein fertiges Konzept vorgelegt wird, das alle gut finden sollen“, sagt AStA-Sprecher Fabian. „Die Gerüchte um einen neuen Namen wurden bis zum letzten Moment dementiert“, sagt die Vorsitzende des Studierendenparlaments Daniela Steinert. Als dann ein offizieller Namensvorschlag gemacht wurde, gab es auch schon ein passendes Logo und Konzepte für eine runderneuerte Außendarstellung, die eine Werbeagentur professionell ausgearbeitet hatte. „Das ist eine Überrumpelungstaktik“, sagt Daniela Steinert, „denn so wurden Gegenvorschläge von vornherein aus der Diskussion herausgehalten.“ Vizepräsident Müller-Rommel verweist jedoch darauf, dass in den Gremien in der Regel drei Viertel der Mitglieder den verschiedenen Reformplänen zugestimmt haben. Er ist sich sicher, an der Uni sei noch nie so offen kommuniziert worden wie heute. Dem stimmt auch Matthias Fabian zu: „Es ist viel besser als unter Spouns Vorgänger Hartwig Donner. Aber das heißt noch nicht, dass wir heute mit der Kommunikation zufrieden wären.“

Den neuen Namen „Leuphana“ hat die Uni-Leitung aus den Archiven ausgegraben. Der Grieche Ptolemäus erstellte im zweiten Jahrhundert nach Christus eine Weltkarte, auf der es auch eine Gegend namens Leuphana gab. Das könnte das Gebiet des heutigen Lüneburg sein – vielleicht aber auch nicht. „Die Verbindung von Leuphana mit Lüneburg bleibt eine Hypothese“, teilt die Uni mit. Doch passt der traditionsreich anmutende Name? Die Geschichte der Universität begann erst 1946, als in Lüneburg eine Pädagogische Hochschule gegründet wurde.

In diesem Herbst beginnen die ersten zukünftigen „Leuphana-Bachelor“ ihr Studium. Sie sollen Generalisten werden, anstatt in sechs Semestern mit geballtem Fachwissen bombardiert zu werden. Mit dem neuen Konzept wollen die Lüneburger Vordenker einer neuen Universitätsausbildung sein. Im ersten Semester, dem „Leuphana-Semester“, werden Grundlagen vermittelt, historische Allgemeinbildung zum Beispiel und Methoden des wissenschaftlichen Arbeitens. Das interdisziplinäre Arbeiten zieht sich als roter Faden durch das gesamte Studium. Die Studenten wählen aber trotzdem noch eine fachliche Ausrichtung: ein Haupt- und ein Nebenfach. Hier finden sich auch Studiengänge der früheren Universität Lüneburg wieder. Wenn dann in drei Jahren die ersten Leuphana-Bachelor ins Berufsleben starten, kommt der Praxistest für die ambitionierten Lüneburger.