Bundeswehr profiliert sich als Shuttle-Service

Kritik an geplantem Einsatz der Bundeswehr beim G-8-Gipfel im Juni. Gipfelgegner: kein Recht für Einsatz im Innern. Unklarheiten über Auftrag und Anzahl der Soldaten. Kritiker: mehr Soldaten als beim Bush-Besuch 2006

BERLIN taz ■ Auf einen ungewöhnlichen Shuttle-Service dürfen sich VIPs beim G-8-Gipfel im Juni in Heiligendamm freuen: Nach der Ankunft am Flughafen Rostock fliegen die Gäste weiter zum Tagungszentrum nach Heiligendamm – mit Hubschraubern der Bundeswehr.

Kritik am eigentlich vom Grundgesetz verbotenen Einsatz der Bundeswehr im Inneren äußerten die Organisatoren der Gipfelproteste auf einer Pressekonferenz am gestrigen Mittwoch in Berlin. Dabei beklagte Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linkspartei im Bundestag, die Informationspolitik der Bundesregierung und erklärte, „nicht einmal das Parlament ist bisher umfassend informiert, selbst der Verteidigungsausschuss muss sich aus der Presse informieren“.

Mit einer kleinen parlamentarischen Anfrage an die Bundesregierung soll ermittelt werden, wie viele Soldaten tatsächlich in Heiligendamm im Einsatz sein werden. Insbesondere das mögliche Zusammenwirken von Polizei und Bundeswehr bei möglichen Ausschreitungen soll so geklärt werden. Offiziell bestätigt ist bisher lediglich, dass Sanitäter der Armee ein mobiles Krankenhaus einrichten. Zusätzlich räumt die Bundeswehr vier Kasernen, um Unterkünfte für insgesamt 6.000 Polizisten bereitzustellen. Während der Luftraum durch Tornado-Flugzeuge überwacht wird, soll – nach aktuellem Stand – mindestens eine Fregatte der Marine vor der Küste von Heiligendamm kreuzen.

Die G-8-Gegner gehen davon aus, dass der Bundeswehreinsatz während des Gipfels weit mehr Soldaten erfordert als während des Bush-Besuches in Mecklenburg-Vorpommern im vergangenen Jahr. Damals waren rund 500 Soldaten im Einsatz. Jelpke erklärte, als „Vergleichsmaßstab“ komme „eher die Fußball-WM mit 2.000 Soldaten in Betracht“.

Zwar beruft sich die Bundeswehr bei ihrem Einsatz auf die Verpflichtung zur Amtshilfe. Aus Sicht der Globalisierungskritiker jedoch geht es dabei „nicht um puren Altruismus, sondern darum, den innenpolitischen Stellenwert zu erhöhen“. Bei Großereignissen wie dem Gipfel an der Ostsee nimmt die Bundeswehr bereits seit längerem an den im Vorfeld tagenden Katastrophenschutzstäben teil. Zwar gibt es mit dem Technischen Hilfswerk (THW) bereits speziell für Katastrophenfälle ausgerüstete Einrichtungen. Deren Möglichkeiten, „eigene und von militärischen unabhängige Strukturen auszubilden“ werden aber – laut Jelpke – zunehmend eingeschränkt.

Die Protestorganisatoren bewerten das Verhalten der Bundesregierung als Versuch, die Akzeptanz in der Bevölkerung für Bundeswehreinsätze im Inneren stetig zu erhöhen.

So avancieren die Linken am Ende sogar noch zu Verfassungsschützern. Auf die Frage eines Journalisten an Ulla Jelpke, was sie eigentlich dagegen hätte, wenn die Bundeswehr im Innern eingesetzt werde und dabei Prominente befördere, antwortete sie: „Prinzipiell nichts, das Grundgesetz verbietet es halt.“

TIEMO RINK