HAT EIN „FOCUS“-REDAKTEUR GEHEIMAKTEN ZUR ERPRESSUNG GENUTZT?
: Ein Journalist im Zwielicht

Investigative Journalisten kommen leicht in Konflikt mit dem Gesetz. Sie wollen Informationen veröffentlichen, die der Staat oder andere Akteure geheim halten. Oft ist diese Geheimhaltung auch durch Strafandrohung geschützt. Soweit mit der Veröffentlichung Skandale aufgedeckt werden, gilt die Sympathie des Publikums stets den Journalisten. Und werden diese überwacht, durchsucht oder gar bestraft, ist die Öffentlichkeit zu Recht empört.

In der aktuellen BKA-/Focus-Affäre wurde zwar auch ein Journalist, der Focus-Mann Josef Hufelschulte, überwacht, um seine Quellen im Bundeskriminalamt aufzudecken. Doch die Empörung hält sich bislang zu Recht in engen Grenzen. Denn so, wie es derzeit aussieht, hat Hufelschulte brisante Unterlagen aus dem BKA nicht nur benutzt, um darüber zu berichten (wenn überhaupt), vielmehr scheint er sie (auch) für dubiose Geschäfte eingesetzt zu haben. So soll Hufelschulte solche geheimen Dokumente in Zusammenarbeit mit einem Nachrichtenhändler weiterverkauft haben. Und – noch schlimmer – er soll einem Betroffenen angeboten haben, dass er gegen Zahlung eines Geldbetrages auf die Berichterstattung verzichte. Man muss dies wohl als Erpressung bezeichnen.

Wenn diese Vorwürfe stimmen – und bisher haben weder Hufelschulte noch Focus-Chef Helmut Markwort etwas bestritten –, dann hat sich Hufelschulte verhalten wie ein Anti-Journalist, dessen Metier nicht mehr die Veröffentlichung, sondern die Nicht-Veröffentlichung von Nachrichten ist. Ein derartiger Vorgang bringt nicht nur Hufelschulte selbst und das Magazin in Verruf, er könnte auch Probleme für den gesamten Berufsstand mit sich bringen. Schließlich können Sicherheitsbehörden die Verfolgung von Journalisten leichter rechtfertigen, wenn es nicht nur um die Geheimhaltung von Dienstgeheimnissen, sondern auch um den Schutz Dritter vor Erpressung geht.

Allerdings läge das Verhalten Hufelschultes, sollten sich die Vorwürfe bestätigen, so jenseits journalistischen Denkens und Handelns, dass alles für einen absurden Einzelfall spricht. Wenn Focus als journalistisches Produkt noch ernst genommen werden will, sollte es den Vorgang schleunigst aufklären. CHRISTIAN RATH