Bremen besser als Berlin

Trotz des Boykotts durch SPD, „Bremen muß leben“ und Die Linke stößt kandidatenwatch.de auf großes Bürger-Interesse – und verhilft dabei unkonventionellen Antworten zu mehr Aufmerksamkeit

von Benno Schirrmeister

Bremer Wahlen ohne Beteiligung der SPD scheinen so unvorstellbar nicht mehr: Obwohl sozialdemokratische ebenso wie die KandidatInnen der Linken und der rechtspopulistischen Formation „Bremen muß leben“ nach einer Empfehlung von Bürgermeister Jens Böhrnsen kandidatenwatch.de boykottieren, verzeichnet der Veranstalter ein reges Interesse an der Internetplattform. Nach den ersten 14 Tagen habe man bereits 75.000 Seitenabrufe registriert, gab Gregor Hackmack gestern bekannt. Das entspreche fast 20.000 BesucherInnen. „Damit liegen wir in Bremen besser als in Berlin.“

Bei den dortigen Wahlen zum Abgeordnetenhaus hatte www.kandidatenwatch.de seine bisherige Bestmarke erzielt: 200.000 Zugriffe nach zwei Wochen. Berlin hat allerdings auch rund fünfmal so viele Wahlberechtigte wie Bremen – so dass die Hansestadt „im Vergleich die Nase vorn“ habe, so Hackmack. Auch die Zahl von mehr als 100 Fragen in dem relativ kurzen Zeitraum zeige, „dass unser Angebot von den Bremer Wählerinnen und Wählern gut angenommen wird“.

Manche thematisieren sogar ausdrücklich den Boykott: „Obwohl dieses Portal nicht unumstritten scheint“, schreibt ein Nutzer an die Spitzenkandidatin der feministischen Partei „Die Frauen“, Erika Riemer-Noltenius, „möchte ich Ihnen gerne eine Frage zur Bildungspolitik stellen.“

Eine Antwort hat er auch bereits erhalten: Tatsächlich gehört Riemer-Noltenius zu den GewinnerInnen der SPD-Blockade. Denn von der Abstinenz der großen profitieren die kleineren Politik-Anbieter. Das liegt daran, dass die KandidatInnenliste automatisch nach Zahl der Antworten und Fragen sortiert wird: In Berlin führte SPD-Spitzenkandidat Klaus Wowereit mit 138 Antworten auf ebenso viele Fragen das Feld deutlich an. Auch sein Bremer Pendant Böhrnsen ist Adressat etlicher Fragen, deren Beantwortung er bisher jedoch verweigert hat.

Anders als bei einer geringen Wahlbeteiligung haben sich bislang allerdings nicht in erster Linie extremistische Formationen nach vorn geschoben, sondern Parteien mit Exoten-Status, denen auch unkonventionelle Antworten auf Standard-Fragen der Landespolitik zugetraut werden – wie eben „Die Frauen“. So propagiert Riemer-Noltenius als Teil einer Entschuldungsstrategie auf die Regionalwährung Roland zu setzen. Mittlerweile hat sie sich auf Platz drei des Website-Rankings hinter Karin Mathes (Grüne) und FDP-Mann Magnus Buhlert vorgearbeitet.