Linke und gemäßigte Gipfelgegner streiten

Linke kritisieren etablierte Nichtregierungsorganisationen. Ihr Vorwurf: NGOs kuscheln zu sehr mit den G-8-Staaten

BERLIN taz ■ Knapp zwei Monate vor dem G-8-Gipfel in Heiligendamm gibt es Streit zwischen den Gipfelgegnern. Kritik an einem Positionspapier von knapp 30 Nichtregierungsorganisationen (NGOs) äußerte an diesem Wochenende die Bundeskoordination Internationalismus (Buko), ein gemeinsames Forum von rund 150 sozialen und internationalen Solidaritätsbewegungen aus dem linken Spektrum. Auf ihrem Bundeskongress in Leipzig warfen sie den etablierten Organisationen vor, die G-8-Staaten als Ansprechpartner anzuerkennen, anstatt deren geballte Macht zu kritisieren.

In einem Mitte März verabschiedeten Positionspapier hatten verschiedene etablierte Akteure der Zivilgesellschaft die G-8-Staaten unter anderem zu wirksamen Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Armutsbekämpfung in Afrika aufgefordert. Naturschutzorganisationen wie Greenpeace und BUND bis zu christlichen Hilfswerken wie Misereor hatten die Aufforderung unterzeichnet.

In einer schriftlichen Replik auf dieses Positionspapier kritisieren die Teilnehmer des Buko-Kongresses, dass „Regierungen und die G 8 damit als Teil der Lösung und nicht als Teil des Problems dargestellt werden“.

Steffen Jörg, Mitarbeiter der Buko-Geschäftsstelle, erklärte gegenüber der taz, dass „es in der Mobilisierung gegen den Gipfel bisher einen gewissen Konsens mit einem klaren Ziel gab: die Delegitimierung der G 8“.

Das von den rund 700 Teilnehmern des Buko-Kongresses als „herrschaftskonform“ bezeichnete Positionspapier der etablierten NGOs stellt für Steffen Jörg eine „Relegitimierung der G 8“ dar. Während die NGOs in dem Papier erklären, „die Zeiten billiger Rohstoffe sind vorbei“, kritisiert der Bundeskongress grundsätzlicher, dass es niemals billige Rohstoffe gegeben habe. „Vielmehr haben die Menschen in den Erzeugerländern schon immer einen hohen Preis für ‚unsere Rohstoffe‘ bezahlt“, schreiben die linken Kritiker.

In der Tat ist die Ablehnung gegenüber den G-8-Staaten bei den kritisierten NGOs nicht so grundsätzlich, wie es sich die Linken wünschen. Karsten Smid, Klimaexperte und Greenpeace-Mitarbeiter, erklärte gegenüber der taz. „Tatsächlich stellen wir inhaltliche Forderungen an die G 8, dazu stehen wir auch.“ Zwar sind die G 8 für die Naturschützer „anders als die UN kein legitimiertes Gremium“, dennoch erhoffe man sich von ihnen „Änderungen der Industriestaaten beim Klimaschutz“.

Laut Smid bestehe die Arbeitsweise von Greenpeace schon immer darin, teilweise Kontakte zur Regierung zu haben. „Daraus sollte man aber nicht auf Naivität schließen.“ Auch aus diesem Grund stimme der Vorwurf, Greenpeace relegitimiere die G 8, „in dieser Form nicht“, so Smid.

Wie viele andere Gruppen mobilisiert auch Greenpeace zu einer großen Bündnisdemonstration am 2. Juni in Rostock. Auch die den Grünen nahe stehende Heinrich-Böll-Stiftung hatte das umstrittene Positionspapier mit unterschrieben. Barbara Unmüßig vom Vorstand der Stiftung sagte der taz, „man sollte gemeinsame Schnittmengen suchen und so die Kräfte bündeln“. Anstatt sich zu attackieren, sollte die globalisierungskritische Szene an einem Strang ziehen. Im Vordergrund stehe die Notwendigkeit eines gemeinsamen Protests.

Spätestens während der am 2. Juni in Rostock beginnenden Aktionswoche werden sich Kritiker und Unterzeichner des Positionspapiers wohl bei Demonstration oder beim Gegengipfel über den Weg laufen, denn bisher planen beide Seiten die Proteste. So sei die Stellungnahme zum Positionspapier der Nichtregierungsorganisationen denn auch „als solidarische Kritik“ zu verstehen, meint Jörg vom Buko.

TIEMO RINK