Kongo wird Klimakiller

Neue Recherchen von Greenpeace warnen: Skrupellose Holzfirmen greifen nach Afrikas unberührtem Urwald. Seine Vernichtung würde den globalen Klimawandel verschärfen. Aber niemand will für Regenwaldschutz aufkommen

VON DOMINIC JOHNSON
UND FRANÇOIS MISSER

Die Abholzung der Regenwälder des Kongobeckens im Herzen Afrikas macht eines der ärmsten Länder der Welt zu einem der größten Klimakiller. Wie Greenpeace in einem heute veröffentlichten Bericht darlegt, könnte die Demokratische Republik Kongo bis 2050 so viel Kohlendioxid ausstoßen wie Großbritannien in den vergangenen 60 Jahren – 34 Milliarden Tonnen.

Das ist laut Greenpeace zu befürchten, wenn der Kongo bis zum Jahr 2050 40 Prozent seiner Regenwälder verliert, was derzeitigen Trends entspreche. Schon jetzt, so der Bericht „Carving Up The Congo“, liegt die Demokratische Republik Kongo aufgrund von Abholzung in der Weltrangliste von CO2-Emittenden auf Platz 21 – vor Belgien, der Schweiz, Spanien oder den Niederlanden. Dabei haben von den 60 Millionen Kongolesen nur 6 Prozent Zugang zu Strom, außerhalb der Städte nur 1 Prozent.

Insgesamt hält Kongo 1,28 Millionen Quadratkilometer Regenwald, rund die Hälfte des Staatsgebietes. Davon sind 600.000 bis heute völlig unberührt – wegen Wirren und Kriegen blieb im Kongo ein Kahlschlag wie in Brasilien oder Indonesien aus. Viele Flußwege waren zu unsicher, und der einzige Exporthafen in Matadi am Atlantik blieb zu klein. Doch mit der Einsetzung einer gewählten Regierung dieses Jahr und dem Einzug internationaler Investoren könnte sich dies rasch ändern. Der Kongo, einzige Transportstraße durch das Land, wird bereits wieder neu ausgebaggert, um ihn schneller schiffbar zu machen. Das ist gut für die Anrainerbevölkerungen, macht aber den Wald am Fluss leichter zu erschließen.

Was eine Zunahme der Abholzung im Kongo für das Weltklima bedeuten würde, hat Greenpeace anhand einer deutschen Regenwaldkonzession errechnet. In der derzeit ungenutzten Konzession K7 der deutschen Holzfirma Siforco im Nordwesten des Landes wurden bis Ende der 90er Jahren 170.000 Hektar Regenwald ausgebeutet und 900.000 Kubikmeter Holz geschlagen. Mit US-Satellitenaufnahmen des Netzes von Zufahrtsschneisen, die durch den Wald geschlagen wurden, um ausgesuchte Bäume zu fällen und abzutransportieren, wird errechnet, wie viel Wald insgesamt verloren ging und wie viel CO2 freigegeben wurde. Die Hochrechnung auf alle Konzessionen des Landes beweist die globale Auswirkung selbst minimalen Holzeinschlages.

Deutschland trägt eine zentrale Verantwortung dafür, das zu verhindern. Die größte Holzfirma des Kongo ist deutsch: Siforco, Tochter der Reutlinger Danzer-Gruppe, leistet ein Fünftel des kongolesischen Holzeinschlags und ist einer der größten Waldkonzessionäre des Landes.

Siforco wird von kongolesischer Seite ein korrekter Umgang mit der Natur und den Gesetzen bescheinigt. Doch eine andere Danzer-Tochter, die Handelsfiliale Interholco, kauft auch von skrupellosen Waldvernichtern im Kongo Holz, sagt Greenpeace. Besonders hervorgehoben wird die portugiesische Gruppe NST mit ihren kongolesischen Töchtern Sodefor, Soforma, Forabola und CFT; dazu die libanesischen Firmen ITB und Congo Futur mit ihrer Holzfiliale Trans-M, Teil der Beiruter Tajideen-Gruppe, die in Geldwäsche und illegalen Diamantenhandel verwickelt sein soll. Sie alle halten laut Greenpeace Konzessionen in Sumpfwaldgebieten, die seltene Tier- und Pflanzenarten beherbergen, und genießen Protektion von höchster Ebene in Kinshasa.

Eigentlich lässt Kongos Forstpolitik so etwas nicht zu. Im Jahr 2002 gab sich Kongo mit Weltbankberatung ein neues Forstgesetz, in dessen Folge alle Waldkonzessionen entweder annulliert oder zur Neubeantragung verpflichtet wurden. Dafür müssen Holzfirmen Waldbewirtschaftungspläne erstellen, die Bevölkerung mit einbeziehen und soziale und ökologische Mindestanforderungen erfüllen. Zudem wurde ein Moratorium auf neue Konzessionen erlassen.

Ein schönes Konzept – nur funktioniert es nicht. Zwar wurden von 43,5 Millionen Hektar Konzessionen 25,5 Millionen annulliert. Das Moratorium auf neue Konzessionen erlangte aber erst 2005 per Präsidialdekret Gesetzeskraft. In der Zwischenzeit vergaben korrupte Offizielle große Flächen Wald illegal neu – die Gesamtfläche der Konzessionen stieg von 2002 bis 2005 von 18 auf 20,4 Millionen Hektar. Unabhängige Kontrolle dessen, was Holzfirmen in ihren Konzessionen treiben, ist überdies meistens nicht möglich, denn viele von ihnen sind so entlegen, dass Reisen dorthin logistisch und finanziell nur von der Firma selbst durchgeführt werden können.

Umweltschützer verlangten kürzlich auf einer internationalen Regenwaldkonferenz in Brüssel eine Verlängerung des Moratoriums um mindestens zehn Jahre und die Einbeziehung des Regenwaldschutzes in den internationalen CO2-Handel. Das alles geht nur gegen Geld, sagte Kongos Umweltminister Pende Bokiega. „Wir werden das Moratorium weiter einhalten und die Forstgesetze respektieren, aber ich erwarte eine Gegenleistung“, so Bokiega zur taz. „Die Menschen im Wald müssen von etwas leben. Und ich muss einen Beitrag zu den Staatseinnahmen leisten.“ Er verlangt 1,5 Milliarden US-Dollar – das entspricht dem jährlichen Staatshaushalt.

Man könne sich höchstens einige Dutzend Millionen Dollar vorstellen, sagen Geberländer dazu. Internationale Umweltschützer jedoch drängen auf schnelles Handeln. Sonst könnte im Kongo Ähnliches geschehen wie in Kamerun, wo skrupellose Händler Waldbewohnern bereits Motorsägen auf Kredit geben, um die Bäume selbst zu fällen.