Frieden entzweit die Grünen

Gegenwind für Eichstädt-Bohlig: Mit ihrer Ostermarsch-Kritik bringt sie vor allem junge Grüne gegen sich auf. Solange es noch Kriege gibt, braucht die Friedensbewegung auch Rituale, betonen sie

VON WALTRAUD SCHWAB

Junge Grüne gehen auf Distanz zu Franziska Eichstädt-Bohlig. In einem offenen Brief kritisieren sie die grüne Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus – aber auch andere Altvordere der Ökopartei wie die Vorsitzenden Claudia Roth und Reinhard Bütighofer. Denn diese hatten die Friedensbewegung im Vorfeld der Ostermärsche als undifferenziert abgekanzelt und ihnen gar abgesprochen, friedenspolitisch aktiv zu sein. Für die Jungrünen ist diese Haltung inakzeptabel.

Franziska Eichstädt-Bohlig hatte am Sonntag sogar klar zum Ausdruck gebracht, dass sie Ostermärsche für keine zeitgemäße Form des Antikriegsprotests mehr halte. Sie seien zum Ritual geronnen, das sich nur noch gegen Kriegs- und Konfliktsituationen im Allgemeinen wende, sagte die Politikerin. Heutzutage müsse man sich jedoch differenziert mit den Regionen auseinandersetzen, in denen militärische Konflikte stattfänden.

„Ich kann ihre Position nicht nachvollziehen“, meint hingegen Stefan Ziller. Der 26-Jährige sitzt mit Eichstädt-Bohlig im Abgeordnetenhaus und besteht darauf, dass die Friedensbewegung deutlich macht, dass Krieg das falsche Mittel ist, um Konflikte zu lösen. „So lange die Konflikte Jahr für Jahr mehr werden, ist es müßig zu behaupten, die Ostermärsche seien nur noch ein Ritual. Im Gegenteil: Im Zweifel braucht die Friedensbewegung sogar Rituale, um zu zeigen, dass sie da ist.“ Ziller hält es für eine Mogelpackung, dass immer öfter versucht wird, kriegerische Interventionen als Teil einer Friedenslösung darzustellen.

Die 22-jährige Bundessprecherin der Grünen Jugend, Paula Riester, versteht nicht, dass Eichstädt-Bohlig die Ostermarschierer just in dem Augenblick, in dem sie auf die Straße gehen, so vor den Kopf stößt. „Ich finde, dass man das als Grüne so nicht sagen darf. Das ist nicht in Ordnung“, sagt die Berlinerin. Damit verhindere Eichstädt-Bohlig die Auseinandersetzung über die Protestformen, die sie doch eigentlich einfordere. „Es ist nicht die Aufgabe der Ostermärsche, differenzierte Modelle zu entwickeln, wie Friedenspolitik gemacht wird, sondern für Frieden zu werben.“ Die Differenzierung dazu müssten die Politiker und Politikerinnen entwickeln.

Eichstädt-Bohlig versteht die Kritik nicht. „Mit Abrüstung allein können die Weltkonflikte nicht gelöst werden. Das mussten wir Grüne lernen“, sagte sie gestern der taz. Auch sie habe in jüngeren Jahren mal gehofft, es wäre so einfach. Die Ostermärsche indes gäben keine Antwort auf die Konflikte weltweit, „da die Welt komplizierter ist als pro und kontra Frieden“. Dass sie den falschen Zeitpunkt und die falsche Vorgehensweise für ihre Meinungsäußerung gewählt hat, weist sie zurück.

Unterstützt werden die Junggrünen in ihrer Kritik von Barbara Oesterheld, der Landesvorsitzenden der Ökopartei. Sie hat selbst am Ostermarsch gegen das Bombodrom in der Kyritzer Heide, zu dem der Landesverband aufgerufen hatte, am Sonntag teilgenommen. „Ein Protest gegen den Krieg ist kein Protest, der nur irgendwann richtig war und heute nicht mehr.“ Für Oesterheld sind die Ostermärsche kein Ritual, sondern konkreter Protest gegen Waffenlieferungen in Krisengebiete oder gegen Tornadoeinsätze in Afghanistan. Wer sich jedoch nur auf die nun hoffähigen Auseinandersetzungen im Bundestag einließe, vergesse, präventive Alternativen einzufordern, kritisiert sie.

Der Graben zwischen Jung und Alt, zwischen Realos und Fundis, der sich an diesem Konflikt zeigt, dürfte auch in naher Zukunft mit 1. Mai und den G-8-Protesten neue Nahrung bekommen. Grüne Politik wird dadurch immerhin wieder spannender.

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