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: Lust am Unwahrscheinlichen

Gegen alle Regeln der Hollywood-Drehbuchkunst wendet sich David Mamet mit seinem Thriller „Spartan“ (2004)

David Mamet, berühmt geworden als Dramatiker, ist der seltene Fall eines erfolgreichen Intellektuellen in Hollywood. Er wird geschätzt und bestens bezahlt als Skriptdoktor („Ronin“), Drehbuchautor („Wag the Dog“), Fernsehserienerfinder („The Unit“) – und wenn nicht bewundert, so doch respektiert auch als Regisseur („The Heist“). Offenkundig ist er so unangreifbar, dass man ihm auch verzeiht, wenn er von Zeit zu Zeit die Hand heftig beißt, die ihn füttert. Nichts anderes nämlich tut er in seinem jüngst erschienenen Buch „Bambi vs. Godzilla. On the Nature, Purpose, and Practice of the Movie Business“. Er verliert darin keine freundlichen Worte über die Industrie, deren Teil er doch ist und der zu zeigen, wie man es besser macht, sein Ehrgeiz als unabhängiger Insider oder auch professioneller Outsider zu sein scheint.

Besser macht man es, indem man, und das fällt Mamet nicht schwer, brillante Dialoge schreibt und mit entscheidenden Informationen raffiniert hinter dem Berg haltende Plots erfindet, deren erster Anschein mit Regelmäßigkeit sich als falsch erweist. So hat Mamet eine zuerst fürs Theater entwickelte, verknappte, elliptische, präzise ins Leere gehende, in synkopierten Rhythmen voraneilende Sprache längst auch in seinen Filmen zum sofort wiedererkennbaren Markenzeichen vervollkommnet. Die Gesprächspartner verfehlen einander mit Worten eher, als dass sie sich verständigen.

Am besten ist Mamet im Kino interessanterweise als Verfasser und Regisseur von Thrillern. Wenn es ihm, wie in „The Heist“ und auch „Spartan“ (2004), seinem nie in die deutschen Kinos gekommenen jüngsten Film, gelingt, seine ausgefeilten Dialoge in wendungsreiche Geschichten zu transformieren, wenn er Darsteller findet, die an der Aneignung seiner Sprachrhythmen feilen, funktionieren, wie angetrieben durch reine Sprachenergie, noch die haarsträubendsten Plots. Einen solchen hat „Spartan“ fraglos zu bieten. Alles beginnt mit dem Verschwinden der amerikanischen Präsidententochter, die, wie es scheint, von einem von Dubai aus operierenden Mädchenhändlerring entführt wurde. Sogleich setzen sich die unterschiedlichsten Geheimdienstinstanzen in Bewegung. In deren Zentrum, als sofort herbeigerufener Mann der Tat, steht ein Offizier mit Namen Robert Scott (Val Kilmer). Er folgt den Spuren, die das Drehbuch erst legt, um sie dann zum Schein in Luft aufzulösen. Akteure kommen ins Spiel, die bald darauf wieder verschwinden. Alle Regeln der Hollywood-Drehbuchkunst wirft Mamet in „Spartan“ mit entschiedener Lust am Unwahrscheinlichen über den Haufen.

Noch die Inszenierung seiner Inszenierung führt er vor. Scott täuscht einen Raubüberfall vor, um einen Kriminellen, der wichtige Informationen besitzt, dazu zu bringen, diese herauszurücken. Er verschwindet hinter einer Tür, der Kriminelle wartet draußen – und die Kamera zeigt, dass die Bar, in der Scott vermeintlich Leute erschießt, von einem ganzen Team von Geheimdienstagenten in eine Art Hinterbühne verwandelt worden ist. Scott schießt ins Leere, wird mit roter Farbe bespritzt und für die Rückkehr auf die „Bühne“ vor der Tür präpariert. An dieser Darstellung professionellen Handelns hat Mamet ebenso Spaß wie daran, alles zuletzt aus dem Ruder laufen zu lassen. Der Wille zur Kontrolle ist bei ihm ohne den Kontrollverlust nicht zu haben.

Hinter der Verknappung der Dialoge lauern stets das Stottern und die Hysterie einer Sprache, die denen, die sie eben noch zu beherrschen glaubten, entgleitet. Es ist kein Zufall, dass Mamet in aller Regel Männer zeigt, die in Situationen geraten, deren sie nicht mehr mächtig sind. Der Titel „Spartan“ verdankt sich dem Mythos vom einzelnen Mann, den König Leonidas von Sparta einer befreundeten Stadt als Retter schickte. Robert Scott ist dieser Spartaner – aber nicht nur der Ausgang der Geschichte verleiht dem Heldenbild einige Ambivalenz. Insofern fügt sich Mamets „Spartan“ bestens zum gerade in den Kinos laufenden Sparta-Film „300“ – als subtile Analyse ebenjenes Männerbildes, das die dröhnende Comic-Verfilmung als Heldenmythos zu bekräftigen scheint. EKKEHARD KNÖRER

Die DVD ist für rund 20 Euro im Handel erhältlich