Hebammenverband protestiert: Aufruhr ums Stillen

Mitarbeiter des Neuköllner Ordnungsamts hätten ihr verboten, ihr Baby öffentlich zu stillen, sagt eine 18-Jährige. Der Bürgermeister weist dies zurück.

Das Neugeborene schreit. Es hat Hunger. Mit dem Stillen bis zu Hause warten, würde zu lange dauern. Also setzt sich die 18-jährige Mutter in einer Grünanlage auf die Parkbank und legt das zwei Wochen alte Baby an die Brust. Zwei Mitarbeiter vom Ordnungsamt nähern sich - ein Mann und eine Frau. Sie möge damit aufhören, ergreift die Frau das Wort. Dem Mann ist das Verhalten seiner Kollegin sichtlich unangenehm. Doch die lässt nicht locker. Die entblößte Brust zu zeigen sei "Erregung öffentlichen Ärgernisses". Wenn die 18-Jährige damit nicht aufhöre, drohe ihr ein Bußgeld. Die verstörte Mutter stillt das Baby trotzdem zu Ende. Zur Kasse gebeten wird sie letztlich nicht.

Der Vorfall hat sich nach Darstellung des Hebammenverbandes in den Mittagsstunden des 23. Juni in einer Grünfläche an der Schillerpromenade in Neukölln ereignet. Die junge Frau erzählt ihrer Hebamme Corry Finné davon. Finné bestärkt die 18-Jährige: Es gebe kein Gesetze, die das Stillen in der Öffentlichkeit verbiete. Sie rät ihr, sich beim Ordnungsamt zu beschweren. Dort bittet die junge Frau vergangenen Donnerstag, im Dienstplan nachzuschauen, wer an dem besagten Tag Dienst hatte. Freundlich, aber bestimmt lässt man sie abblitzen: Die Routen der Zweier-Streifen ließen sich nur im Groben nachvollziehen.

In einem offenen Brief fordert die Vorsitzende des Hebammenverbandes, Ulrike von Haldenwang, den Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) nun auf, Stellung zu beziehen. Außerdem möge er dafür sorgen, dass sich so was in seinem Bezirk nicht wiederhole.

Doch damit geht die Geschichte erst richtig los. Ein solcher Vorfall sei dem Ordnungsamt nicht bekannt - weder am 23. Juni noch an einem anderen Tag, poltert Buschkowsky auf Nachfrage. Wieso sei er sich so sicher? "Natürlich habe ich das Ordnungsamt mit den Vorwürfen konfrontiert." Am 23. Juni seien ausschließlich mit Frauen besetzte Streifen unterwegs gewesen. Bei maximal vier Streifen pro Tag also eine überschaubare Größe. "Alle haben gesagt, so was würden sie nicht machen."

Buschkowsky redet sich richtig in Rage. Er traue seinen Mitarbeitern einiges zu. "Dass sie während der Dienstzeit mal einen Kaffee trinken gehen oder ein Eis essen. Auch dass sie sich mal hinter einem Busch verstecken, um einen Hund beim Kacken zu erwischen. Aber ich glaube nicht, dass sie eine Mutter am Stillen hindern." Und wenn sie es doch getan haben? "Solche Schwachköpfe arbeiten nicht bei uns", so Buschkowsky überzeugt. Wenn aber doch? "Dann würde ich sie 100 Kniebeugen machen lassen, damit sie zu Verstand kommen."

Die Verbandsvorsitzende Haldenwang ist empört: Für die 18-Jährige sei das eine doppelte Beschämung. Die Hebamme Finné sagt: "Ich lege für die junge Mutter meine Hand ins Feuer." Der Betroffenen selbst fällt dazu nichts mehr ein: "Ist das krass".

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