Weltweiter Börsencrash tangiert Berlin nur am Rande: Berlin kann sich keine Krise leisten

Die wirtschaftliche Schwäche der Stadt erweist sich plötzlich als ihre Stärke: Der Börsencrash wird für die hiesige Wirtschaft kaum Auswirkungen haben.

Bulle und Bär sind nur vor der Frankfurter Börse zu Hause: Doch in Berlin kennt man nur den Bären. Da macht es nichts, wenn der die Börsenhausse symbolisierende Bulle mal schwächelt Bild: DPA

Wer nichts hat, kann auch nichts verlieren: Der Berliner Wirtschaft wird der Crash an den globalen Finanzmärkten kaum schaden, glauben Beobachter. Weil hierzulande wenig Industrie ansässig sei, werde eine mögliche Rezession und damit sinkende Nachfrage in den USA keine großen Auswirkungen haben, erklärt Christian Dreger, Konjunkturexperte vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). In Berlin sei der Dienstleistungssektor am wichtigsten. "Der hängt vom Konsum ab, nicht vom Export."

Der wirtschaftliche Aufschwung hatte in Berlin zuletzt auch den Arbeitsmarkt erreicht: Mit 13,9 Prozent Arbeitslosen war die Dezember-Quote so niedrig wie seit elf Jahren nicht. Davon werde im Jahr 2008 der Konsum und damit der Dienstleistungssektor profitieren, sagt Dreger. "Der wirtschaftliche Aufschwung wird sich fortsetzen."

Holger Lunau, Sprecher der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin, glaubt ebenfalls, dass sich der Börsencrash nicht auf Berlin auswirken wird. Auch wegen der vergleichsweise geringen Zahl an Exporten: Berlin führte im Jahr 2006 Waren im Wert von rund 11 Milliarden Euro aus. Bayern und Baden-Württemberg exportierten im gleichen Zeitraum Güter im Wert von jeweils rund 140 Milliarden Euro. "Berlins Schwäche erweist sich in diesem Fall als Stärke", freut sich Lunau. Berliner Produkte gingen zudem vorrangig nach Westeuropa. Dort ist die Lage - anders als in den USA - derzeit stabil.

Noch etwas stimmt Lunau optimistisch: "Es gibt keine Anzeichen, dass in Berlin ansässige Kreditinstitute in den Strudel der US-Immobilienkrise geraten könnten." Der Sprecher des Berliner DGB, Dieter Pienkny, hofft, dass das auch so bleibt. "Wir wissen schließlich nicht, ob sich Berliner Banken auf riskante Spekulationen eingelassen haben."

Pienkny verweist auf die vielen Berliner Kleinanleger, die vom Crash betroffen seien. Seit Bayer Schering übernommen hat, gibt es zwar kein DAX-notiertes Berliner Unternehmen mehr. Doch die internationalen Kursverluste Anfang der Woche versetzten auch die Händler an der Spree in Aufregung. Nach Angaben der Berliner Börse wurden am Montag 7.000 Geschäfte abgeschlossen. Normalerweise tätigen die Händler an einem Tag rund 4.200 Transaktionen. "Wir befinden uns eindeutig in einer Extremsituation", sagt der Vorsitzende Artur Fischer.

Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen, Lisa Paus, sieht die Finanzkrise weniger gelassen. Sie ist zwar erleichtert, dass Berlin, anders als Hamburg, keine umfangreichen Aktienpakete hält. Indirekte Folgen werde der Crash dennoch haben. Der Landeshaushalt sei 2007 nur deshalb ausgeglichen gewesen, weil die Steuereinnahmen sprudelten, so Paus. Das läge aber nicht so sehr am Wirtschaftswachstum; da hinke Berlin im Ländervergleich hinterher. Mehr Gelder seien vor allem über den Länderfinanzausgleich geflossen. Lässt die Wirtschaftskraft der reichen Bundesländer also nach, so Paus, kann auch Berlin nicht mehr absahnen.

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