Staatlicher Kinderschutz: Big Babysitter is watching you

Nach langer Vorbereitung hat Rot-Rot das neue Kinderschutzgesetz verabschiedet. Alle Eltern müssen mit ihren Kindern zu den Vorsorgeuntersuchungen, sonst kommen das Gesundheitsamt und das Jugendamt vorbei.

Vom Berliner Senat erhört Bild: AP

Gut Ding will Weile haben - vor allem in der Politik: Als Anfang 2006 der Tod des sechsjährigen Dennis aus Cottbus wegen chronischer Unterernährung Politiker und Medien aufrührte, forderten CDU und Grüne Pflichtuntersuchungen für Kinder. Damit sollte Verwahrlosung und Kindesmisshandlung frühzeitig erkannt werden - die rot-rote Regierung bezweifelte damals den Sinn solcher Maßnahmen. Jetzt hat der Senat die Vorschläge der Opposition in ein neues Kinderschutzgesetz gemeißelt.

"Wir wollen den Kindern eine gesunde Entwicklung ermöglichen", sagte die Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) am Dienstag. Ziel des Gesetzes ist, alle Kinder sollen an allen ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen - den sogenannten U 1 bis U 9 - teilnehmen. Die Charité wird die Daten zu den Untersuchungen erfassen und Einladungen an die Eltern verschicken, wenn diese nicht mit ihrem Kind zur Untersuchung kommen.

Die ärztliche Früherkennung reicht von der Neugeborenen-Erstuntersuchungen über Prüfungen der altersgerechten Entwicklung in den ersten Lebensjahren bis hin zum Abschlusstest vor dem Schuleintritt. Bisher nehmen mit zunehmendem Alter immer weniger Kinder an den Vorsorgeuntersuchungen teil - vor allem in unteren sozialen Schichten und bei nichtdeutscher Herkunft. Insgesamt fielen den Ärzten 18.500 Kinder im Jahr 2006 durch das "Vorsorgeraster".

Mit dem neuen Gesetz müssten die Eltern mit einem Hausbesuch des Gesundheitsamts rechnen, wenn sie innerhalb einer bestimmten Frist nicht zur Vorsorgeuntersuchung erscheinen. Kinderärzte müssen dafür ab der U 4 im dritten Lebensmonat Daten der Kinder an die Zentrale Stelle an der Charité melden. Sollte auch nach einer Aufforderung, die Untersuchung nachzuholen, nichts geschehen, wird der Bezirk, so Lompscher, "unmittelbar Kontakt zu den Eltern aufnehmen".

Mit 10.000 Hausbesuchen pro Jahr rechnet Lompscher. Kostenpunkt: 1,5 Millionen Euro - allein 280.000 Euro für den laufenden Betrieb der Zentralen Stelle. In den Gesundheits- und Jugendämtern der Bezirke sollen 24 neue Stellen geschaffen werden.

Berlin ist das zehnte Bundesland mit einem neuen Kinderschutzgesetz. Laut Lompscher sei es allerdings das einzige, das "auch die Möglichkeit einräumt, einen persönlichen Eindruck vom gesundheitlichen Zustand des Kindes und von dessen Umfeld zu gewinnen".

Als "sehr sinnvolle Maßnahme" lobt auch Georg Ehrmann, geschäftsführender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe, das neue Gesetz. Allerdings sei es nur "ein ganz kleiner Baustein einer viel größeren Baustelle". Keinesfalls sei damit die Strukturkrise der Kinder-und Jugendhilfe in der Stadt zu bewältigen. Vielmehr befürchtet Ehrmann, dass durch den Fokus auf die Kleinen die Ressourcen aus der Jugendhilfe abgezogen würden. Das Gesetz selbst wird nach Aussagen Lompschers frühestens in einem halben Jahr in Kraft treten. So lange brauchen der Rat der Bürgermeister und das Abgeordnetenhaus, um es abzusegnen. GRIT WEIRAUCH

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