Nachwuchs: Charlottenburg im Babytaumel

Immer mehr Berliner entscheiden sich fürs Kinderkriegen: Die Zahl der Geburten ist dieses Jahr um 4,6 Prozent gestiegen. Spitzenreiter unter den Bezirken ist Charlottenburg-Wilmersdorf. Hier stauen sich schon die vielen Anträge auf Elterngeld

Diese kleinen, lärmenden Wesen sieht man zurzeit vor allem in Charlottenburg-Wilmersdorf. Bild: AP

Berlin freut sich über reichlich Nachwuchs: Bereits 19.579 Kinder kamen zwischen Januar und August 2007 zur Welt. Damit hat die Zahl der Geburten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 4,6 Prozent zugenommen. Überraschend ist, dass nicht der Bezirk Pankow mit seinem Baby-Boom-Viertel Prenzlauer Berg den größten Anstieg verzeichnet, sondern Charlottenburg-Wilmersdorf: 1.556 Neugeborene gab es dort in den ersten acht Monaten dieses Jahres, das sind 8,8 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor.

Einen ähnlichen Zuwachs verzeichnen Friedrichshain-Kreuzberg (8,5 Prozent) und Marzahn-Hellersdorf (8,2 Prozent). Pankow belegt mit 7,6 Prozent den vierten Platz. Steglitz-Zehlendorf und Neukölln bilden laut Statistischem Landesamt das Schlusslicht, dort sind die Zahlen konstant geblieben.

Der Trend zum Kinderkriegen fällt in Berlin deutlicher aus als in anderen Teilen Deutschlands: Im Bundesdurchschnitt sind die Geburten lediglich um 1 Prozent gestiegen, meldet das Statistische Bundesamt. "In Berlin leben viele junge Leute und berufstätige Frauen, die sich jetzt für ein Kind entscheiden", erklärt Reiner Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. Der Grund für den Kinderzuwachs ist seiner Meinung nach vor allem das sich langsam verändernde Familien- und Frauenbild. "Früher haben Kinder nur Krach gemacht und Geld gekostet", sagt Klingholz. Erst jetzt stehe die Bereicherung durch Kinder im Vordergrund der Diskussionen.

Im Gegensatz zu Skandinavien werde in Deutschland auch erst jetzt etwas getan, damit die Eltern Kinder und Beruf besser vereinbaren können. Ein erster Schritt sei dabei das Elterngeld, sagt Klingholz. "Damit werden Familien mit Kindern finanziell besser gestellt. Die Eltern kommen leichter wieder in den Beruf. Auch Väter können sich stärker einbringen."

Für die Berliner scheint das Elterngeld tatsächlich ein Anreiz zu sein. Bis September wurden bereits 16.030 entsprechende Anträge bewilligt. Die Berliner Väter zeigen sich dabei emanzipierter als in allen anderen Bundesländern: 12,4 Prozent der Anträge auf Elterngeld wurden hierzulande von Männern gestellt, bundesweit liegt der Anteil bei 8,8 Prozent. Allerdings macht nur jeder fünfte antragstellende Vater in Deutschland auch eine Babypause von einem Jahr. Alle anderen wollen laut Statistischem Bundesamt nur die zwei Monate zuhause bleiben, um die das Elterngeld verlängert wird, wenn Vater und Mutter sich die Zeit aufteilen (siehe Kasten).

Wegen der Flut von Anträgen kommen die Bezirke mit der Bearbeitung kaum hinterher. In Charlottenburg-Wilmersdorf konnten von den 1.942 gestellten Anträgen bisher nur 1.381 bearbeitet werden. In Marzahn-Hellersdorf haben 2.088 Mütter und Väter das Elterngeld beantragt, 1.804 haben bisher einen positiven Bescheid erhalten. Die familienpolitische Sprecherin der Grünen, Elfi Jantzen, fordert den Senat daher auf, das Personal in den Bezirken zu verstärken. "Gerade junge Eltern und Alleinerziehende sind dringend auf das Elterngeld angewiesen", sagt Jantzen. Lange Wartezeiten seien ihnen nicht zuzumuten.

Das Elterngeld betrachtet Reiner Klingholz nur als einen ersten Ansatz. Die vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung in diesem Jahr veröffentlichte Studie "Ungewollt kinderlos" ergab, dass in Deutschland 30 Prozent der 25- bis 59-Jährigen keine Kinder haben, aber nur 8,4 Prozent definitiv keine Kinder wollen. Der Rest, so Klingholz These, sei ein potenzielles Spielfeld für die Familienpolitik.

Geld allein reiche nicht aus: "Wir brauchen eine qualitativ gute Betreuung für Vorschulkinder und eine Betreuung von Schulkindern in Ganztagsschulen", fordert Klingholz. Wenn in Deutschland nicht mehr für Familien getan werde, sei der Geburtenanstieg nicht von Dauer.

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