Wahlkampf: Das reißt die Wähler nicht vom Hocker

Gründe für die Flaute sehen Parteien in fehlenden Wahlalternativen und dem "Wohlfühlwahlkampf" der Großkoalitionäre.

Den Hauptgrund für den langweiligen Wahlkampf sehen die Parteien in der aktuellen Bundesregierung: SPD und CDU können sich kaum glaubhaft attackieren, ohne ihre eigene Koalitionsarbeit zu diskreditieren. Das zeigt sich auch in Berlin. Die beiden Großparteien würden sich geradezu dem Wahlkampf entziehen, moniert Marion Seelig, Vize-Fraktionschefin der Linken im Abgeordnetenhaus. Grünen-Landeschefin Irmgard Franke-Dressler kritisiert einen Merkel-Wahlkampf "im Schlafwagen", FDP-Landeschef Markus Löning einen "mut- und kraftlosen" SPD-Auftritt. "Viele in der SPD haben den Glauben an eine Machtperspektive aufgegeben", so Löning. "Die Partei liegt derart am Boden, da gibt es keine Not für scharfe Attacken."

Natürlich kämpfe die SPD, entgegnet Christian Gaebler, parlamentarischer SPD-Geschäfsführer. Keineswegs werde man aber "wild um sich schlagend" einen Eindruck der Verzweifelung erwecken. Es sei vielmehr die CDU, die mit ihrem "Wohlfühlwahlkampf" wenig Angriffsfläche biete, so Gaebler. "Wir setzen ja mit dem Mindestlohn oder Atomausstieg Themen, aber die CDU taucht ab." Bernd Krömer, Berliner CDU-Generalsekretär, verteidigt den eigenen Wahlkampf als sachlich und argumentativ. Anstelle der "üblichen Holzschnitt-Parolen" sei dies doch ein Gewinn.

Außerdem würden die Wähler in Zeiten der Wirtschaftskrise einen sachlichen Wahlkampf verlangen, so Krömer. "Es ist momentan nicht die Zeit, aufeinander einzutrümmern." Auch die Linke sieht die Krise als Grund für die wahlkämpferische Zurückhaltung. "Keine Partei hat ein Patentrezept gegen die Krise", so Seelig. "Da stört ein wenig Nachdenklichkeit nicht." Dem FDP-Landeschef Markus Löning fehlt dagegen ein emotionalisierendes Thema wie der Irakkrieg 2005. Die Finanzkrise sei kein solches Thema, sie sei bei vielen Bürgern gefühlt noch gar nicht angekommen.

Hauptgrund für die fehlende Spannung dürfte jedoch der Mangel an echten Wahlalternativen sein. Reicht es am 27. September nicht für schwarz-gelb, läuft alles auf die Fortsetzung der Großen Koalition hinaus. Alle weiteren Konstellationen haben die Bundesspitzen im Vorfeld erfolgreich ausgeschlossen. "Wie soll da eine Aufbruchstimmung unter den Wählern aufkommen", fragt Linken-Politikerin Seelig. Selbst SPD-Geschäftsführer Gaebler gesteht, dass eine große Koalition als Alternative zu schwarz-gelb "die Leute nicht so vom Hocker reißt". Dabei würden mit einer CDU-FDP-Regierung der soziale Ausgleich wegfallen und die Marktliberalen ein Übergewicht bekommen, warnt Gaebler. Und für Grünen-Chefin Franke-Dressler entscheide sich mit der Wahl - und der Frage des Atom-Ausstiegs sowie der Verteilung sozialer Leistungen - sogar, "welche Republik die Menschen wollen".

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