Interview: "Das war eine Verzweiflungstat"

Der junge Tibeter, der am Donnerstag versucht hat, sich vor der Chinesischen Botschaft anzuzünden, ist ein abgelehnter Asylbewerber, sagt Jörg Faulhaber von der Tibet-Initiative. Interview

JÖRG FAULHABER, 47, aus Frankfurt (Oder) ist ehrenamtlicher Mitarbeiter der Tibet-Initiative Deutschland.

taz: Herr Faulhaber, am Donnerstag hat der 26-jährige Tibeter Namgyal F. versucht, sich während eine Mahnwache vor der Chinesischen Botschaft in Berlin selbst anzuzünden. Sie kennen F. seit Langem. Was wissen Sie über seine Motive?

Jörg Faulhaber: Er wollte auf die menschenrechtliche Situation in Tibet aufmerksam machen. Die Tibeter kämpfen um das Recht auf ihre eigene Kultur, auf Religionsausübung, politische Freiheit und Demokratie. F. soll in seiner Heimat Flugblätter verteilt haben und wurde daher von der Polizei gesucht. Er rechnet im Falle seiner Auslieferung mit Inhaftierung und Folter. Ich sehe in dem Versuch einer Verbrennung eine Verzweiflungstat. Selbstverbrennungen sind in der tibetischen Kultur nicht verankert.

Namgyal F. lebt in Brandenburg an der Havel. Wie ist er dort untergebracht?

Er wohnt in einem Asylbewerberheim. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, unter anderem mit der Begründung, in der chinesischen Verfassung sei das Recht auf Religionsausübung verankert. Er hat gegen die Ablehnung geklagt. Die Regionalgruppe Potsdam der Tibet-Initiative Deutschland setzt sich seit vielen Monaten für seine Umstellung nach Potsdam ein. Dort wäre er von seinen Landsleuten und von Informationen aus seiner Heimat nicht so abgeschottet wie in der Stadt Brandenburg. Er wäre besser in der tibetischen Kulturszene in Berlin und Potsdam integriert. Dazu gibt es Gespräche - bisher ohne Erfolg.

Wie informieren sich Tibeter in Berlin und Brandenburg derzeit über die Situation in ihrer Heimat?

Als die Unruhen vor 14 Tagen begannen, gab es verlässliche Informationen von internationalen Hilfsorganisationen und Journalisten. Schnell entstand ein weit verzweigtes informatorisches Netzwerk. Neben unserem Verein wirken in Deutschland auch der Verein der Tibeter in Deutschland, ICT und die Gesellschaft für bedrohte Völker daran mit. Derzeit verfügen wir leider immer weniger über professionelle Quellen aus Tibet. Es ist noch möglich, aber immer schwieriger, nach Tibet zu telefonieren. Die chinesischen Behörden achten sehr genau darauf, wer ein Telefon hat. In den letzten Tagen werden Telefongespräche zudem nach wenigen Minuten unterbrochen. Tibeter in Berlin und Brandenburg sind sehr um ihre Angehörigen besorgt.

Wie ist das Verhältnis zwischen Tibetern und Chinesen in Berlin und Brandenburg?

Schwierig. Nicht so sehr wegen der jahrhundertealten Vorurteile beider Volksgruppen gegeneinander. In unserem Verein überlegen wir derzeit, wie wir den Dialog hier in der Region in Gang setzen können. Das Problem besteht darin, dass Chinesen, die zum Studium oder wegen der Arbeit nach Deutschland kommen, sehr genau vom chinesischen Sicherheitsdienst beobachtet werden.

Warum engagieren Sie sich als Deutscher und als Sozialarbeiter für Tibet?

Es begann vor 15 Jahren mit meinem Interesse an traditioneller asiatischer Medizin. Und da kann man nicht übersehen, dass in Lhasa ein Institut, das diese alten Erkenntnisse pflegte, von den Chinesen zerstört wurde. Daraus entstand mein politisches Interesse. Ich will diese Kultur hier bekannt machen. Im Rathaus meiner Heimatstadt habe ich zum Beispiel eine Fotoausstellung aus Tibet gezeigt. Zu einer gewaltfreien Konfliktlösung gibt es aus meiner Sicht keine Alternative.

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