Sarrazin: Der Obersparer spart lieber bei anderen

Finanzsenator Thilo Sarrazin provoziert erneut: dieses Mal mit seiner Forderung nach weniger Kindergeld und einer großzügigen Kündigungsregel. Die Spreedreieckaffäre rechnet er dagegen großzügig schön.

Immer gut für provokante Vorschläge: SPD-Finanzsenator Thilo Sarrazin Bild: REUTERS

Thilo Sarrazin kann das Provozieren einfach nicht lassen: Der streitbare SPD-Finanzsenator sorgte erneut mit gewagten politischen Forderungen für Aufregung. Vor allem sein Vorstoß, Kindergeld künftig erst vom dritten Kind an zu zahlen, stieß auf breite Ablehnung - auch in der eigenen Partei: Sarrazins Äußerung seien "politisch instinktlos und in dieser Form unausgegoren", kritisierte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit seinen Finanzsenator. Auch Peter Stadtmüller, Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, distanzierte sich. Es handele sich bei Sarrazins Äußerungen lediglich um dessen "persönliche Ansichten".

Bereits in der Vergangenheit eckte Sarrazin immer wieder mit polemischen Ausfällen an, zuletzt ging es gegen die schlechten Leistungen von Berliner SchülerInnen. Davor entwarf er einen "Speiseplan" für Hartz-IV-EmpfängerInnen. In einem am Samstag in der Wirtschaftswoche veröffentlichten Interview lehnte Sarrazin nun das Kindergeld vom ersten Kind an ab - unter Verweis auf den Kinderfreibetrag. "Deswegen bekommen die Deutschen doch nicht mehr Nachwuchs", sagte er. Für eine "generative Steuerung" reiche eine Kindergeldzahlung ab dem dritten Kind. Die Grünen-Fraktionschefin Franziska Eichstädt-Bohlig nannte die Kürzungsidee "absurd": In Berlin lebten vierzig Prozent der Kinder "im unteren Existenzdrittel".

Auch Sarrazins Forderung nach einer Lockerung des Kündigungsschutzes stieß auf Kritik. Ein "liberales System mit leichtem Hire und Fire" führe zu mehr Beschäftigung, so die Überlegung des Senators. Eichstädt-Bohlig sprach dagegen von "plumpen und unsozialen Rezepten".

Der Finanzsenator hatte aber noch mehr Sparvorschläge parat. Seiner Ansicht nach sollte das Sozialversicherungssystem grundlegend umgebaut werden, etwa durch eine staatliche Basisversicherung, die die Grundrisiken absichere. Diese könne durch Mehrwert- und Einkommensteuererrhöhungen finanziert werden. Damit käme man dem Ziel der Vollbeschäftigung "greifbar nahe".

Der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst ist dem passionierten Sparer indes ein Dorn im Auge. Durch die drohenden Mehrausgaben von 30 Milliarden Euro für Bund, Länder und Kommunen sei die Einhaltung der Maastricht-Kriterien gefährdet, warnte Sarrazin.

Allerdings scheint er seine Energie ausschließlich auf Zukunftsprojekte zu richten. Von überflüssigen Ausgaben vergangener Tage möchte er wenig wissen: Auf der letzten Sitzung des Untersuchungsausschusses zum Spreedreick-Bauskandal sagte er, er halte nicht viel von Geschichtsaufarbeitung. Berlin stehe da, wo es stehe, der Rest sei "Aufgabe von Geschichtsprofessoren". Die Rechnung, die Sarrazin den Abgeordneten präsentierte, brachte jedenfalls Erstaunliches zutage: Durch die Pannen beim Bau des Geländes an der Friedrichstraße sei dem Land keinerlei Vermögensschaden entstanden. Erst im März hatte sich Berlin zur Zahlung von 4 Millionen Euro Entschädigung an die Besitzer des Hotels gegenüber dem geplanten Hochhaus verpflichtet. TAZ, DPA

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