Kirchen wollen einkaufsfreien Sonntag: Der Sonntag steht vor Gericht

Das Bundesverfassungsgericht muss entscheiden, ob die Berliner Ladenöffnungen am Sonntag zu liberal sind. Die Kirchen sehen dadurch ihr Recht auf freie Religionsausübung verletzt.

Die Sonntagsfrage: Auf den Weihnachtsmarkt? Oder in die Kirche? Oder einfach mal nichts tun? Bild: dpa

Bei der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht trug Bischof Wolfgang Huber ein Zitat aus der Bibel vor: "Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles, was darinnen ist, und ruhte am siebenten Tage. Darum segnete der Herr den Sabbattag und heiligte ihn." Hubers evangelische Kirche klagt gemeinsam mit den Katholiken für ein weitergehendes Verbot der Ladenöffnung am Sonntag. Darüber entscheidet an diesem Dienstag das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

Derzeit müssen in Berlin die Geschäfte an mindestens 42 der 52 Sonntage im Jahr geschlossen bleiben. Den Kirchen ist das zu wenig. Vor allem stören sie sich daran, dass die Läden an den vier Adventssonntagen öffnen dürfen. Damit werde "der tiefe religiöse Gehalt der Adventszeit als der Zeit der Vorbereitung auf das Weihnachtsfest missachtet", beklagte Kardinal Sterzinsky in Karlsruhe. Bischof Huber sagte, die Ladenöffnung greife "in eklatanter und gravierender Weise in den kirchlich geprägten Jahreslauf und den zu ihm gehörenden Festkalender ein". In anderen Ländern sind weniger Ladenöffnungen an Sonntagen erlaubt.

Die Kirchen berufen sich auf Artikel 4 des Grundgesetzes. Darin wird die Glaubensfreiheit und die "ungestörte Religionsausübung" gewährleistet. Das Grundgesetz verweist außerdem auf einige Artikel der Verfassung der Weimarer Republik aus dem Jahr 1919. Dort heißt es: "Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erbauung gesetzlich geschützt."

In Berlin dürfen die Geschäfte auch an den Sonntagen, an denen sie geöffnet haben, aus Rücksicht auf die Gottesdienste erst ab 13 Uhr öffnen. Doch Huber und Sterzinsky reicht das nicht aus. Schließlich fänden Gottesdienste ja auch am Nachmittag statt. Hinzu kämen - gerade in der Adventszeit - Konzerte, Gemeindefeste und viele andere Aktivitäten den ganzen Tag über.

Im Jahr 1994 beschäftigte sich das Verfassungsgericht schon einmal mit der Frage, wie weit dieser Schutz reicht. Damals versuchte der Warenhauskonzern Kaufhof, ein Recht auf Sonntagsverkauf einzuklagen. Kaufhof verlor, und das Gericht wies darauf hin, dass die Parlamente einen weiten Spielraum haben, in welchem Umfang sie die Ladenöffnungen am Sonntag erlauben oder verbieten wollen.

In der Begründung hieß es damals: "Ein Kernbestand an Sonn- und Feiertagsruhe ist unantastbar, im Übrigen besteht Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers." Das Landesparlament dürfe auch "auf eine geänderte soziale Wirklichkeit, und zwar insbesondere auf Änderungen im Freizeitverhalten, Rücksicht nehmen". Ob bei zehn Ladenöffnungen pro Jahr bereits der unantastbare Kernbestand des Sonntagsschutzes berührt ist, müssen die Richter entscheiden. SEBASTIAN HEISER

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.