Ben Wargin fordert: Die Mauer soll bleiben

Der Künstler Ben Wagin hat den letzten Mauerrest im Regierungsviertel zum Gedenkkunstwerk umgestaltet. Doch er hat Angst um dieses "Parlament der Bäume" und fordert deswegen, es unter Denkmalschutz zu stellen.

Heute jährt sich der Bau der Mauer zum 47. Mal. Überreste sind nur noch an wenigen Orten sichtbar, unter anderem an folgenden Standorten:

- East Side Gallery: zwischen Oberbaumbrücke und Ostbahnhof, rund 1,3 Kilometer lang, für die neue O2-Arena in der Mitte aufgebrochen

- Gleimstraße, Wedding: Reste an der Bahnunterführung Gleimtunnel

- Mauerpark: Erholungs- und Gedenkfläche in Prenzlauer Berg, hier 300 Meter ehemalige Hinterlandmauer am Friedrich-Ludwig-Jahn-Stadion

- Zentrale Mauergedenkstätte: entlang des westlichen Teils der Bernauer Straße, 70 Meter Mauer

- Potsdamer Platz: Ausgang S-Bahnhof; ab 2009 im Erdgeschoss des Neubaus des Bundesumweltministeriums, Stresemannstraße

- Parlament der Bäume: am Haus der Bundespressekonferenz, Spreeufer, Mitte

- Niederkirchnerstraße: zwischen Topographie des Terrors und Bundesfinanzministerium

- Mauertürme: unter anderem Schlesischer Busch in Treptow (Puschkinallee); Leipziger Platz, Rückseite zum Bundesrat; Frohnau, Utestraße

- ehemalige Todesstreifen: unter anderem Kiefholzstraße in Treptow, mit Denkmal für erschossene Kinder; Bernauer Straße, mit Postenweg

- kompletter Verlauf: Berliner Mauerweg für Fuß- und Radfahrer, 160 Kilometer einmal um Westberlin herum

- Im Internet: berlin.de/mauer/wo-war-die-mauer/index.de.html

Der Mann kniet auf der Straße, er trägt eine Gärtnerschürze und eine grüne Schirmmütze. Mit einem Backstein zeichnet er einen dicken rötlich-braunen Streifen auf die Straße, hier, direkt am ehemaligen Mauerstreifen an der Spree, wo heute die Bibliothek des Bundestags ihren Sitz hat. Neben dem Mann stehen zwei Statuen aus Metall, geschmückt mit Sonnenblumen. Dann erhebt er sich, nimmt einen Strauß Sonnenblumen in den Arm und schaut in die klickenden Kameras.

Ben Wagin ist Baumkünstler - seit über 50 Jahren. Durch das Pflanzen von Bäumen möchte er den Frieden fördern. "Indem ich den Verlauf der Mauer nachzeichne, will ich die Erinnerung an die Trennung der Stadt sichtbar machen", sagt der 78-Jährige an diesem Dienstagmorgen. Anlass für Wagins Aktion ist der Jahrestag des Mauerbaus vom 13. August 1961.

Wagins Mauer-Kunstwerk liegt mitten im Regierungsviertel. Dieser Ort mit dem Namen "Parlament der Bäume" ist ein Garten mit Bäumen und Beeten. Hier steht ein Stück der ehemaligen Hinterlandmauer, bemalt und beschrieben mit kurzen Texten. 1990 hat Wagin das Kunstprojekt begonnen und es seitdem weiterentwickelt.

Die Zukunft des Mauerstücks jedoch ist ungewiss. Denn das "Parlament der Bäume" steht nicht unter Denkmalschutz. Dafür kämpft Michael Cramer. Der Europaabgeordnete der Grünen ist einer der stärksten Unterstützer von Wagins Kunst. Als einziges Mauerstück in Berlin stünde das "Parlament der Bäume" nicht unter Denkmalschutz, so Cramer. "Das Mauerstück im Parlament der Bäume ist das einzige im ganzen Regierungsviertel, das noch übrig ist." Er will sicherstellen, dass der Bereich des Kunstwerks nicht bebaut wird.

Ein Denkmalschutz sei jedoch rechtlich ausgeschlossen, erklärt die Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Manuela Damianakis, auf Anfrage. Der Grund: "Das Parlament der Bäume ist nur teilweise ein authentischer Ort." Die Mauer sei umgesetzt worden, stünde also nicht an der historisch korrekten Stelle. "Außerdem handelt es sich um einen künstlerischen Ort - und ein Kunstwerk kann nicht denkmalgeschützt werden", so Damianakis weiter.

Cramer weist diese Einwände zurück: Schließlich stünde die East Side Gallery auch unter Denkmalschutz. Zudem stünden die meisten von Wagin genutzten Mauerteile noch am Originalplatz.

Bereits vor einigen Jahren wurde das Kunstensemble auseinandergerissen. Grund war der Bau des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses 2003, in dem auch die Bundestagsbibliothek untergebracht ist. Deswegen befinden sich heute 16 Bäume und Mauerteile im Innern des Gebäudes. Spaziergänger können sie durch die verglasten Wände betrachten. Der andere Teil wird zudem durch eine Straße getrennt.

Ben Wagin möchte die beiden Teile des Mauer-Kunstwerks mit den metallenen Sonnenblumen-Statuen symbolisch wieder vereinen. Auch die Markierungen mit dem Backstein verbinden die zwei Seiten zumindest kurzfristig - bis zum nächsten Regen. Längerfristig wünsche er sich eine Doppelreihe aus Kopfsteinpflaster, die in die Straße eingelassen wird, so Wagin. So wie sie bereits rund ein Viertel des 160 Kilometer langen einstigen Mauerverlaufs kennzeichnen.

Wenn sich im nächsten Jahr der Fall der Mauer zum 20. Mal jährt, plant Wagin eine weitere Kunstaktion. Er wird kleine Tüten mit Sonnenblumensamen ab dem Frühjahr 2009 verkaufen. Berliner und Touristen sollen sie dann auf dem ehemaligen Grenzgebiet der Mauer verstreuen - und damit eine "lebendige Grenze des Friedens" erschaffen.

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