Schmidts Mütze 1: Der Mann mit der Mütze wird neunzig

Helmut Schmidt feiert Geburtstag. Gelegenheit für eine Eloge nicht nur auf den Altbundeskanzler, sondern auch auf seine Mütze. Denn als Prinz-Heinrich-Mütze verband sie die Menschen trotz Mauer

Schmidts Mütze. Andere bevorzugten Pelzkappen. Bild: AP

Selbst in Berlin hat die Helmut-Schmidt-Mütze ihre Fans. Wie der Altbundeskanzler in Hamburg, so flanieren auch hier ältere Herren mit Schmidtscher Kopfbedeckung auf den Boulevards und schützen ihr sonst ungeschütztes Haupt vor der Kälte.

Am 23. Februar wird der Sozialdemokrat und Altbundeskanzler Helmut Heinrich Waldemar Schmidt 90 Jahre alt. Er ist einer der Gründer des Weltwirtschaftsgipfels, der sich heute G8-Gipfel nennt. Außerdem zimmerte er wegen der in den 70er Jahren aktiven Roten Armee Fraktion am Deutschen Herbst mit. Die Agenda 2010 seines Nachfolgers Gerhard Schröder lobt er, hält sie allerdings nicht für radikal genug. Deregulierung des Arbeitsmarktes und weitere neoliberale Positionen wie Aufhebung des Kündigungsschutzes hielt er - bis vor der Finanzkrise zumindest - für absolut notwendig. Mehr als seine Politik, aber auch mehr als seine Nikontinsucht und sein gefürchtetes Redetalent, das das Label "Schmidt's Schnauze" bekam, ist mittlerweile vor allem seine Treue zu einem Accessoire legendär geworden: seiner Elblotsenmütze. Diese Schiffermütze für die privilegierten Lotsen firmiert mittlerweile unter Schmidtmütze. Na dann man tau. WS

Vor allem in Ostberlin sieht man derart ausgestattetes Mannsvolk oft. Auf der oberen Schönhauser Allee tauchen sie auf wie gerufen. Manche von ihnen kommen die Hochbahntreppen herunter. Ulrich Schröder heißt einer. Der weiß gar nicht, dass er eine Schmidtmütze auf dem Kopf hat. "Hab ich gekauft, als es letztens mal kalt war. War die erste, die mir unter die Finger kam", sagt er.

Andere wie Horst Pankow überqueren mit Zigarette im Mund die befahrene Straße. Er weiß aus erster Hand, dass Schmidtmützen in der DDR hergestellt wurden und trotzdem nicht zu haben waren. "Jing allet in den Westen" (siehe Interview).

Wieder andere stehen einfach nur rum und reagieren auf keine Ansprache. Dass die Hündchen, die hinter ihnen ihr eigen Werk verrichten, zu ihnen gehören, zeigt sich erst, wenn sie gehen.

Stilberater haben festgestellt: Kopfbedeckungen für den Herrn sind wieder im Kommen. Hollywood macht es vor. Justin Timberlake, Roger Cicero, Pete Dohery waren die Ersten, die sich trauten. Hutformen und Markennamen, die die Feuilletons bereits eroberten, heißen Trilby und Borsalino. Mitunter auch Cowboyhut. Alle kommen in Ausführungen mit Krempe, hohem Mittelteil und meistens auch mit Hutband daher.

Die Schmidtmütze dagegen hat Kultstatus bei weniger modebewussten Kerlen. Weniger betucht sehen die auch aus.

Dabei ist die Schmidtmütze, die tatsächlich unter diesem Namen zu haben ist, nicht irgendeine Kappe. Es ist ein Kleidungsstück, das in der Tradition von Schiffermütze, Elbsegler, Fleetenkieker, Elblotsen- und Prinz-Heinrich-Mütze steht. Je mehr Status der Namensträger hat, desto opulenter die Ausführung.

Am bescheidensten ist die Schiffermütze, die ursprünglich von Seemännern an der Elbe getragen wurde. Niedrig und mit Schirm ist sie. Farblich changiert sie zwischen dunklem Blau und ganz tiefem Schwarz. Am authentischsten ist sie, wenn sie dazu mit einem ledernen Sturmriemen vorne am Mützensteg dekoriert ist. Weniger authentisch ist sie mit Kordel statt Sturmband. Ein Hersteller dieses Einfachmodells hieß übrigens Elbsegler. Der Name hat sich ebenfalls durchgesetzt.

Mit Fleetenkieker werden nicht ganz so niedrige Mützen bezeichnet. Schließlich handelt es sich beim Fleetenkieker ja nicht um einen normalen Seemann, sondern um den städtischen Angestellten, der den Wasserstand misst.

Ziemlich oben in der Hierarchie der Seemänner stehen die Elblotsen. Klar ist deren Mütze mit noch höherem Steg versehen. Der Mützenschirm ist mit Eichenlaubborten besetzt. Eine Kordel hat sie dazu.

Natürlich hat der Oberlotse Schmidt eine Elblotsenmütze auf. Dass diese der Prinz-Heinrich-Mütze ähnelt, scheint ihn zu adeln. Denn Prinz Heinrich von Preußen war kaiserlich-deutscher Großadmiral. Dass er gleichzeitig der kleine Bruder Kaiser Wilhelms II. war, mag dagegen erklären, warum die Berliner Männer der Mütze nicht abhold sind. Berliner verstehen die Welt am liebsten im Kleinen.

Bleibt das hauptstädtische Schmidtmützen-Milieu. Im Bootsladen in der Hauptstraße kann man die Kopfbedeckung kaufen. "Der Renner ist sie nicht", sagt die Besitzerin.

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