Mosscheendebatte: Fragen müssen erlaubt sein

Die Friedrich-Ebert-Stiftung diskutiert über den Neubau von Moscheen in Berlin.

Diesteht schon: Sehitlik-Moschee am Columbiadamm Bild: reuters

Während manche Berliner am letzten Aprilabend den Mai mit Feiern und Feuern oder auch der Forderung nach "eins, zwei, ganz vielen" Rudi-Dutschke-Straßen begrüßten, wurde in der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) über "eins, zwei, ganz viele" Moscheen diskutiert. "Moscheebau in Berlin" war das Thema des Abends, die Unterzeile der Einladung klang etwas weniger sachlich: "Im Schatten des Minaretts".

Weit über hundert TeilnehmerInnen hatten sich trotz Busstreiks und Maifeiern zur Debatte eingefunden. Auf dem Podium saßen neben drei Wissenschaftlern auch zwei Protagonisten der Berliner Moscheedebatten: der amerikanische Journalist und Pulitzer-Preisträger Ian Johnson, Korrespondent des Wall Street Journals und Autor eines in Kürze erscheinenden Buchs über die Muslimbruderschaft. Johnson engagiert sich als Anwohner in der Bürgerinitiative "Menschen am Mierendorffplatz", die sich mit dem dort geplanten - und inzwischen gescheiterten - Moscheebau des Vereins Inssan auseinandersetzt.

Der zweite Berliner auf dem Podium (außer dem Moderator, Zeit-Redakteur Jörg Lau), war der Imam der in Heinersdorf entstehenden Moschee der Ahmadiyya-Gemeinde, Abdul Basit Tariq. Man habe auch Inssan aufs Podium laden wollen, so Johannes Kandel von der FES, dies sei von dem Verein aber abgelehnt worden. Inssan wolle sich "einem zivilgesellschaftlichen Diskurs nicht stellen", so Kandels Interpretation der Absage.

Wie ernst dieser Diskurs genommen wird, zeigten die Beiträge der WissenschaftlerInnen. Der Bonner Stadtgeograf Thomas Schmitt, der seine Dissertation über das Thema "Moscheen in Deutschland - Konflikte um ihre Errichtung und Nutzung" verfasst hat, lieferte neben einer historischen Einordnung der Moscheebaukonflikte in die Geschichte des Umgangs mit Sakralbauten religiöser Minderheiten in Deutschland auch eine Konfliktanalyse. Streit um Moscheen, so Schmitt, bewege sich in der Regel entlang dreier Konfliktlinien: der raumbezogenen, auf das Umfeld der Moschee gerichteten, der ethnisch-kulturellen, die sich in "Fremdenangst" manifestieren könne, und der religionsbezogenen. Zur Lösung solcher Konflikte schlug Schmitt das Modell des norwegischen Konfliktforschers Johan Galtung vor: Gewaltfreiheit, Kreativität und Einfühlungsvermögen. Dass die Praxis noch weit von der Umsetzung solcher Modelle entfernt ist, zeigte später die Diskussion mit dem Publikum.

Dass "Intransparenz" eine der größten Konfliktquellen bei Moscheebauprojekten sei, hatte die Frankfurter Soziologin Angela Joost erklärt, die mit anderen Autoren das Buch "Der Weg zur Moschee - eine Handreichung für die Praxis" verfasst hat. Genau damit kollidierte dann der Optimismus Imam Tariqs: Die Bürgerproteste gegen die Ahmadiyya-Moschee in Heinersdorf hätten sich erledigt. "Wir hatten seit zwei, drei Monaten keine Demonstration mehr", hatte er eingangs geäußert. Doch anscheinend hatten sich die Reste der Pankower Moscheegegner in der FES versammelt - und beklagten neben angeblicher Intransparenz auch, dass die Moschee nicht direkt an der Straße, sondern hinten auf dem Grundstück stehe - was von den Gegnern des Gotteshauses als Indiz dafür gedeutet wurde, dass sich dort vielleicht doch Dinge abspielen könnten, die der Öffentlichkeit verborgen werden sollen.

Den Eindruck völlig verhärteter Fronten, die auch die Ratschläge der Wissenschaftler nicht durchbrechen können, hinterließ der Abend dennoch nicht. Ein häufiges Problem sei, so ein Fazit der Diskussion, dass Moscheevereine, die Bauvorhaben anmelden, nicht auf die Debatten vorbereitet seien, die sie damit auslösen. Es fehle an Erfahrung mit Öffentlichkeit, mit der Beteiligung an politischen Diskussionen, manchmal auch an den sprachlichen Voraussetzungen dafür. Detailliertes Nachfragen, so Moderator Lau, würde von den Vereinen überdies oft als prinzipielle Ablehnung verstanden. Dabei zeigten solche Debatten doch eigentlich, so die Islamwissenschaftlerin Breuer, dass Muslime immer ernster genommen würden: "Sie kommen ja aus verschiedenen Kulturkreisen und denken auch nicht alle gleich!" Fragen müssten also erlaubt sein. Konflikte um Moscheen, fasste Angela Joost zusammen, seien so auch "Geburtshelfer für längst fällige Auseinandersetzungen".

Dass die Bereitschaft besteht, diese auch zu führen, bewies nicht nur die Anwesenheit der unermüdlichen Heinersdorfer. Sondern auch Ian Johnson: Am Abend vor der Debatte in der FES, zu der Inssan nicht kommen mochte, war er bei einer Diskussionsveranstaltung des Vereins gewesen.

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