Abschiebeknast: Gefängnis für Unschuldige

Mit der Ausstellung "Auf gepackten Koffern - Leben in der Abschiebehaft" machen der Flüchtlingsrat und die Initiative gegen Abschiebehaft auf Schicksale der Häftlinge aufmerksam. Anlass: der heutige Internationale Tag des Flüchtlings.

Nicht zu wissen, was kommt - das sei das Schlimmste für Menschen in Abschiebehaft. Yolanda Bakker von der Initiative gegen Abschiebehaft muss es wissen, denn sie besucht regelmäßig Flüchtlinge, die im Köpenicker Abschiebeknast sitzen. Zusammen mit dem Flüchtlingsrat Berlin, der französischen Organisation Cimade und dem Förderverein Pro Asyl hat die Initiative am Donnerstagabend die Ausstellung "Auf gepackten Koffern - Leben in der Abschiebehaft" in der Ver.di-Bundesverwaltung eröffnet. Die Ausstellung startet passend zum heutigen Internationalen Tag des Flüchtlings.

Zu sehen sind Porträts von acht Menschen, die im Köpenicker Abschiebeknast sitzen oder gesessen haben. Auf Schautafeln lesen die Besucher Zitate und Lebensdaten der Inhaftierten. Yolanda Bakker und andere Mitarbeiter der Initiative haben sie während der Haft interviewt.

"Die Schicksale der porträtierten Personen sind sehr unterschiedlich", erklärt Bakker. "Die einen sind als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen, die anderen leben schon seit längerem in Berlin, haben Familie und Freunde in der Stadt." Eines aber hätten die Häftlinge gemeinsam, so Bakker: Sie würden in der Haft festgehalten wie Kriminelle, obwohl sie gar keine Straftat begangen hätten. "Wir wollen mit der Ausstellung auf diese Ungerechtigkeit aufmerksam machen", so Bakker. "Es kann nicht sein, dass Menschen die Freiheit entzogen wird, nur weil sie nicht die notwendigen Papiere besitzen."

Mit der Ausstellung wollen die Veranstalter auch gegen die neue EU-Richtlinie für Abschiebehäftlinge protestieren. Die Regelung sieht vor, dass die Haftdauer europaweit auf 6, jedoch höchstens 18 Monate begrenzt werden muss. Für die Initiative gegen Abschiebehaft ist dies ein Rückschritt: "In Frankreich sitzen die Flüchtlinge durchschnittlich nur elf Tage in Haft", so Bakker.

Einer der in der Ausstellung dargestellten Personen ist Bülent Alpsoy, geborener Berliner mit türkischer Herkunft. Seine Eltern kamen als Gastarbeiter nach Deutschland. Weil der 32-Jährige straffällig wurde, entzog man ihm seine Aufenthaltserlaubnis. Er sollte in die Türkei abgeschoben werden. Der Ausstellung nach wurde er nach fünf Monaten aus der Haft entlassen - und weiß bis heute nicht, ob er in die Türkei zurückkehren muss. "In der Türkei ist mein Leben gefährdet", berichtet Alpsoy im Interview mit der Initiative. "Mein Vater hat in der Türkei jemanden bezahlt, um mich umzubringen." Alpsoys Eltern seien geschieden. Er habe sich geweigert, seine Mutter zu töten, nachdem diese einen anderen Mann heiratete - wie dies sein Vater von ihm gefordert habe.

Die weiteren Porträtierten haben ganz andere Dinge erlebt. Meist waren Krieg und Unsicherheit im Heimatland die Gründe für die Flucht.

Für viele Häftlinge habe die Abschiebehaft schwere traumatische Folgen. "Einigen Flüchtlingen fällt es deswegen schwer, mit uns über ihre Erfahrungen zu reden", berichtet Bakker. "Sie sind mit der Hoffnung auf Frieden und faire Behandlung nach Deutschland gekommen. Stattdessen werden sie hier sofort inhaftiert".

Die Ausstellung dauert bis zum 11. Juli und kann beim Flüchtlingsrat ausgeliehen werden. Im Rahmen des Internationalen Tags des Flüchtlings startet am Montag außerdem die Kampagne "Save me", die sich für eine Aufnahme von Flüchtlingen in Berlin einsetzt. Am selben Tag beginnt auch das 8. Berliner Symposium zum Flüchtlingsschutz.

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