Kommentar: Geniale Demotivation im öffentlichen Dienst

Die Gewerkschaften sind erbost, über die Machtwort von Klaus Wowereit im Tarifstreit beim öffentlichen Dienst. Denn das demotiviert vor allem die Basis für weitere Streiks.

Die Gewerkschaften sind sauer. Denn sie haben die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Weder ihr Hauptverhandlungspartner, der für das Personal im öffentlichen Dienst zuständige Innensenator Ehrhart Körting, noch der als oberste Berliner Spardose verschriene Finanzsenator Thilo Sarrazin hat ihnen die Brocken vor die Füße geworfen, sondern der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit persönlich. Und mit dem ist nicht zu spaßen.

Die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA) hat nach dem Scheitern der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst Berlins scharfe Kritik am Senat geübt. Zwar würden Linke und Sozialdemokraten vorgeben, für Arbeitnehmerrechte zu kämpfen, sagte CDA-Hauptgeschäftsführer Martin Kamp am Mittwoch. Wo sie selbst in der Verantwortung seien, würden sie aber Arbeitnehmerrechte "mit den Füßen treten". Die Vorsitzende des Landesverbands der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Rose-Marie Seggelke, kündigte an, der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit werde nach der "ferienbedingten Pause sehen, dass seine Verbindung von Almosen und Arroganz die Lage nicht beruhigt hat". Nach dem Scheitern der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst schloss der Senat am Dienstag eine tarifliche Einigung mit den Gewerkschaften aus. Stattdessen sollen die Arbeiter und Angestellten des Landes in diesem und im nächsten Jahr Einmalzahlungen in Höhe von jeweils 300 Euro erhalten. Der Berliner SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Michael Müller hat den Gewerkschaften im Tarifkonflikt des öffentlichen Dienstes Kurzsichtigkeit vorgeworfen. "Die Gewerkschaften haben die Chance auf eine nachhaltige Tarifeinigung leichtfertig vertan", sagte Müller am Mittwoch. Der Senat habe sich im Laufe des monatelangen Verhandlungen Stück für Stück bewegt, die Gewerkschaften hätten nur auf ihren Ausgangsforderungen beharrt, kritisierte Müller. "Das Thema ist jetzt durch", betonte der SPD-Politiker. "Der Senat handelt nun einseitig, eine Tarifeinigung gibt es nicht mehr."

Wowereit ist der Architekt des sogenannten Solidarpakts, den er vor fünf Jahren den Gewerkschaften abgetrotzt hat. Diese Vereinbarung ist einer der Grundpfeiler für die immer noch unabdingbare Sanierung des Landeshaushalts. Und weil das nach wie vor Wowereits oberstes Ziel ist, hat er klare Worte gesprochen: einmal 300 Euro in diesem Jahr, einmal 300 Euro im nächsten. Mehr gibt es nicht für die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst.

Damit demotiviert Wowereit die Landesbediensteten auf doppelte Weise. Förderlich für ihr Engagement im Dienst ist es sicher nicht, wenn sie zwei weitere Jahre lang nicht einmal einen Inflationsausgleich bekommen - und somit real weniger in der Tasche haben als zuvor. Doch diesen Preis ist der Senat offenbar zu zahlen bereit.

Denn zugleich sinkt die Bereitschaft für weitere Streiks. Denn dabei müsste schon deutlich mehr als die nun bereits versprochenen 600 Euro rausspringen. Das aber ist kaum realistisch. Wenn die Gewerkschaften tatsächlich mächtig wären, wäre der öffentliche Dienst spätestens seit Mittwoch komplett lahmgelegt - und das auf Dauer. Ihre zahme Ankündigung von weiteren Arbeitsniederlegungen nach den Sommerferien aber zeigt: Wowereits Machtwort haben sie wenig entgegenzusetzen. Kein Wunder, dass sie sauer sind.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.