Kommentar: Glietsch ist glaubwürdig

Wenn der Polizeipräsident den Porsche-Besitzern rät, ihren Wagen besser nicht in Kreuzberg abzustellen, dann ist das schlicht die Wahrheit und keine Kapitulation des Rechtsstaats.

Was darf ein Politiker sagen, was verschweigt er besser? Die Frage warf in Berlin zuletzt Klaus Wowereit auf. Auf die Frage des Sender N24, ob er sein Kind auf eine Kreuzberger Schule schicken würde, hatte der Regierende Bürgermeister im Januar 2007 mit "Nein" geantwortet. Die Empörung von Eltern, Lehrern und Kreuzbergern war ihm sicher.

Die Warnung von Polizeipräsident Glietsch an Kreuzberger Porschefahrer soll ein Nachspiel im Parlament haben. Kaum hatte Polizeipräsident Dieter Glietsch in der taz vom Freitag Porschefahrer davor gewarnt, ihr Auto in Kreuzberg zu warnen, kam die Reaktion via Berliner Morgenpost. "Die Aufforderung, nicht mehr in Kreuzberg zu parken, ist ein Unding. Sie zeigt, dass in der Hauptstadt das Eigentum der Bürger nicht mehr geschützt und die Sicherheit nicht mehr gewährleistet werden kann", zitiert die Zeitung den CDU-Vorsitzenden des Innenausschusses, Peter Trapp. CDU-Generalsekretär Dieter Henkel sprach gar von einer Kapitulation. "Wenn Kraft und Wille nicht mehr da sind, Gewalt und Kriminalität zu bekämpfen, dann haben die Linksextremisten ihr Ziel erreicht und die Bevölkerung verunsichert."

Unterstützung erhielt Glietsch dagegen von Innensenator Ehrhart Körting (SPD): "Gelegenheit macht Diebe, Gelegenheit macht Vandalismus. Man sollte als Besitzer teurer Karossen nicht provozierend parken, sondern am besten gut sichtbar." Zur Verteidigung seines Interviews sagte Glietsch: "Der Rat an Besitzer hochwertiger Fahrzeuge, ihre Autos nachts nicht in Kreuzberg zu parken, ist keine Bankrotterklärung, sondern der Hinweis auf eine wirksame Präventionsmöglichkeit." UWE RADA

Nun hat die Empörung den Polizeipräsidenten getroffen. Im taz-Interview sagte Dieter Glietsch, man könne einem Porschebesitzer in Kreuzberg "nur abraten, sein Auto nachts auf der Straße zu parken." Es kam, was kommen musste. Die CDU kündigt ein Nachspiel im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses an. Die Gewerkschaft der Polizei fordert einmal mehr Stellen. Selbst der grüne Bürgermeister von Kreuzberg warnt vor dem Gerede über "no parking areas".

Die Reaktionen mögen sich ähneln. Im Gegensatz zu Wowereit sind es im Fall Glietsch aber nicht die Betroffenen, die das Wort ergreifen, sondern die, die aus einer ehrlichen Äußerung politisches Kapital schlagen wollen. Ein durchschaubares Spiel.

Dabei sollte man dem Polizeipräsidenten dankbar sein. Dass es unter Porschebesitzern keine Empörung gibt, zeigt: Dieter Glietsch wird wohl recht haben. So recht, wie der Kripobeamte, der einem nach einem Fahrraddiebstahl rät, den Drahtesel künftig nicht mehr auf der Straße, sondern im Hof abzustellen. Erfahrungswissen nennt man das. Wer daraus eine Kapitulation des Rechtsstaats macht, ist selber schuld.

Dass es die Reaktionen geben würde, mag Glietsch geahnt haben. Dass er die Passage beim Autorisieren nicht strich, ist deshalb auch ein Zeichen von Mut. Wenn Politiker nur noch sagen, was sie dürfen, alles andere aber verschweigen, sind sie so glaubwürdig wie Otto Rehhagel, wenn er von Angriffsfußball spricht.

Klaus Wowereit dagegen hätte besser den Mund gehalten. Eine unangenehme Wahrheit wird schnell zum Klischee, wenn man diejenigen verprellt, die helfen können, an dieser Wahrheit etwas zu verändern. Das ist der Unterschied zwischen Glaubwürdigkeit und Populismus.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.