Party ohne Ende: Jugend kommt auf den Trichter

Berliner Jugendliche trinken viel Alkohol, wissen aber, dass sie es nicht sollten. Das zeigt eine neue Studie, die auch Eltern und Händler in die Verantwortung nimmt

Wenn Kids saufen, geht es prozentmäßig um ganz harte Sachen: Bild: ap

Früher kannte sie ihre Grenze nicht. Deswegen landete das Mädchen, noch keine 16 Jahre alt, schon zweimal im Krankenhaus. Diagnose: Alkoholvergiftung. Aber sie habe daraus gelernt, sagt sie: "Jetzt weiß ich, wie viel ich trinken kann - am Wochenende nur noch eine Flasche Wodka."

Ein anonymisiertes Beispiel für das Trinkverhalten Berliner Jugendlicher, das in einer neuen Studie genannt wird, die die Fachstelle für Suchtprävention des Landes am Montag vorstellt. Deren Ergebnis ist differenziert: Die Jugendlichen trinken viel und früh; andererseits verurteilen sie gleichzeitig exzessiven Alkoholkonsum und wünschen sich mehr Unterstützung von den Eltern in Form von Gesprächen über das Thema (siehe Kasten). 180 junge Berliner zwischen 11 und 27 Jahren wurden befragt.

Das Jugendschutzgesetz verbietet, Alkohol an Minderjährige zu verkaufen, nur Bier und Wein dürfen 16-Jährige erwerben. Das Gesetz wird aber regelmäßig vor allem im Kiosk an der Ecke und im Spätkauf ignoriert, zeigt die Studie. Hier will will Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) ansetzen. Seit 2007 sind Ordnungsamt und Polizei gemeinsam auf der Jagd nach Händlern, die Alkohol an Jugendliche verkaufen. 2008 wurden in allen Bezirken 547 Läden untersucht und 309 angezeigt. Das lief nicht immer reibungslos. "Die Zusammenarbeit der Behörden hat nicht gut funktioniert", so Lompscher, die Polizei sei oft allein auf Tour gewesen. Das habe sich inzwischen verbessert.

Doch nicht nur dabei gibt es offenbar Verbesserungsbedarf. Im ersten Halbjahr 2009 hat die Polizei 1.083 betrunkene Jugendliche aufgegriffen. Die Polizei bringt die Volltrunkenen dann ins Krankenhaus und informiert die zuständigen Jugendämter der Bezirke. Genau hier müssten die Ämter mit Gesprächsangeboten an die Eltern ansetzen, forderte Christine Köhler-Azara, die Drogenbeauftragte des Landes: "Einen Brief an die Eltern zu schreiben kostet nicht viel." In einigen Bezirken sei dies bereits Standard, andere reagierten bislang jedoch gar nicht auf die Hinweise der Polizei.

Den Grünen geht das nicht weit genug. Ein verbindliches Suchtgespräch mit Eltern, dem Jugendlichen und Sozialarbeitern fordern sie. "Minderjährige Suffkids brauchen dieses Gespräche", sagte der innenpolitische Sprecher Benedikt Lux. Weil die Kapazitäten des Jugendamts und der Polizei nicht reichten, müsse ein Pool aufgebaut werden, die solche Gespräche führen sollen - dies könnten auch Ehrenamtliche und freie Träger übernehmen, so Lux.

Die Eltern sieht die Leiterin der Fachstelle für Suchtprävention und Herausgeberin der Studie, Kerstin Jüngling, in der Verantwortung: "Sie sind Vorbilder und müssen geschult werden, dazu braucht es Ressourcen." Außerdem solle das Personal der Jugendklubs pädagogisch fortgebildet werden: "Nur ein Fußballturnier zu veranstalten reicht nicht aus."

Die Studie ist wegen der geringen Teilnehmerzahl nicht repräsentativ. Dies sei jedoch gewollt gewesen, sagte Anke Schmidt, eine der Autorinnen. Es sei vor allem darum gegangen, den Jugendlichen zuzuhören. So entstand ein 44-Seiten-Überblick, der mit Aussagen der Jugendlichen gespickt ist: "Ich trinke immer so viel, bis ich besoffen bin. Wenn ich Würgereflexe kriege beim Schlucken, höre ich auf."

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