Rot-Rot in Brandenburg: Koalition der Kontinuität

Der rot-rote Koalitionsvertrag trägt deutliche SPD-Handschrift. Die Partei kann viele Projekte realisieren. Für die Linke wird Profilierung schwer - dafür kriegt sie wichtige Ressorts wie Finanzen und Umwelt.

Kerstin Kaiser (linke) und Matthias Platzeck (SPD) Bild: AP

Wer in Brandenburg mit dem Wechsel zu Rot-Rot eine große Politikwende erhofft hat, dürfte enttäuscht sein. Nach der Vorstellung des neuen Koalitionsvertrags von SPD und Linke am Donnerstag wird klar: Ministerpräsident Matthias Platzeck setzt auf Kontinuität. Der Vertrag trägt eine deutliche SPD-Handschrift, Platzecks Partei wird die Landespolitik der nächsten fünf Jahre prägen. Kein leichter Start für die Linke in der Regierung.

"Gemeinsinn und Erneuerung - ein Brandenburg für alle", lautet der Titel des 55-seitigen Koalitionswerks. Auffällig sind die sozialen Akzente: ein Mindestlohn bei öffentlichen Aufträgen, ein Schülerbafög für arme Gymnasiasten, ein öffentlicher Beschäftigungssektor (ÖBS) mit gemeinwohlorientierten Jobs für Langzeitarbeitslose, mehr Lehrer und Erzieher. Es ist, mit Ausnahme des ÖBS, eine Liste von SPD-Herzensprojekten, die Platzeck nun mit der Linken verwirklicht. "Wir wollen Leitern aufstellen für sozialen Aufstieg", so der alte und neue Ministerpräsident. Auf SPD-Linie bleibt auch die Wirtschafts- ("Stärken stärken") und Energiepolitik (Weiternutzung der Braunkohle).

Arbeit, Soziales, Familie und Frauen: Günter Baaske (SPD). Schon von 2002 bis 2004 führte der 52-Jährige dieses Ressort. Zuletzt war der Platzeck-Freund SPD-Fraktionschef. Er wird sich um die Einführung des ÖBS und des Vergabegesetzes zum Mindestlohn kümmern.

Wirtschaft und Europa: Ralf Christoffers (Linke). Die Berufung des 53-jährige Haushaltsexperten wird von der CDU kritisiert wegen der Zuständigkeit der Linken für Europa-Angelegenheiten: Dies ruiniere Brandenburgs Ruf in Brüssel, da die Linke den Lissabon-Vertrag ablehne. Linken-Fraktionschefin Kerstin Kaiser verteidigte die märkische Linken-Europapolitik als "konstruktiv".

Bildung: Holger Rupprecht (SPD). Der 56-Jährige bleibt Bildungsminister. Er kann seine Politik fortführen: Bildungsreformen sind nicht geplant.

Inneres: Rainer Speer (SPD). Der bisherige Finanzminister und engste Platzeck-Vertraute wechselt das Ressort. Der 50-Jährige will sich von Vorgänger Jörg Schönbohm (CDU) abgrenzen: Kennzeichnungspflicht für Polizisten einführen, Handy-Ortung abschaffen, Kommunalwahlen ab 16 Jahren prüfen.

Justiz: Volkmar Schöneburg (parteilos). Der Potsdamer (51) ist Anwalt, Verfassungsrichter und Vizepräsident des Judoverbandes - Politiker war er noch nicht.

Finanzen: Helmut Markov (Linke). Der 57-Jährige - der auch Stellvertreter Platzecks werden soll - ist bundesweit der erste Linken-Finanzminister. Zuletzt war er Schatzmeister der Linken im Europaparlament. Der Posten sei eine "Bewährungsprobe" für die Linke, so Kaiser.

Infrastruktur: Jutta Lieske (SPD). Die 48-Jährige ist die Überraschungsnominierung. Sie war Bürgermeisterin in Letschin und leitete den Untersuchungsausschuss zur Bodenreformaffäre. Die Besetzung sei ein Zeichen für mehr Frauen in Führungspositionen, so Platzeck.

Wissenschaft, Forschung, Kultur: Martina Münch (SPD). Die 47-jährige Neurologin und siebenfache Mutter war zuletzt Vorsitzende des gleichnamigen Landtagsausschusses. Die gebürtige Heidelbergerin wurde bekannt, als sie ein Rauchverbot in Fußballstadien forderte.

Umwelt, Gesundheit, Verbraucherschutz: Anita Tack (Linke). Die 58-jährige Verkehrsexpertin sitzt seit 1994 im Landtag, kritisierte den BBI-Flughafenausbau. Ihr Ressort wurde neu geschaffen - mit gleichem Zuschnitt wie in Berlin. Tack darf sich um die bei der Linken umstrittene Energie- und Braunkohlepolitik kümmern.

Zudem hat die SPD Schlüsselressorts besetzt: Arbeit/Soziales, Inneres, Bildung und das neue Großministerium Infrastruktur/Landwirtschaft. Das Finanzressort abzugeben, ist so unklug nicht: Nun ist es die Linke, die Einsparungen - wie die Minimierung des Landespersonals um gut 10.000 Stellen - verkünden muss, die sie bislang kritisiert hat. Trotzdem gibt die SPD den Haushalt nicht gänzlich aus der Hand, wie Platzeck betonte: Es gebe im Kabinett künftig keine Arbeit, die an Ressortgrenzen halt mache. Jeder müsse mit jedem zusammenarbeiten. Wenig überraschend stimmte bereits am Mittwoch der SPD-Landesvorstand mit zwölf Stimmen bei einer Enthaltung für den Koalitionsvertrag.

Bei der Linken steht das Votum noch aus. Anders als deren Streitthema Braunkohle, hatte die SPD keine parteiinneren, inhaltlichen Konflikte zu überwinden. Die einzige, wenn auch mächtige, Kontroverse ist das Zusammengehen mit der Linken. Platzeck erwiderte darauf: "Die Zeit ist reif für einen normalen Umgang mit allen demokratischen Parteien." Rot-Rot sei ein Projekt der Versöhnung, nicht des Schlussstrichs.

Bei aller SPD-Stärke: Auch die Linke ist zufrieden mit dem Vertrag - teilt sie doch in großen Teilen die Sozialpolitik der SPD. Man habe 13 von 15 Schlüsselvorhaben im Vertrag untergebracht, sagte Kaiser am Donnerstag. Diese als eigene Erfolge zu verkaufen, wird allerdings schwer. Der ÖBS wird künftig von SPD-Arbeitsminister Günter Baaske verwaltet, die lange von der Linken geforderten Polizeireformen wird SPD-Innenminister Rainer Speer verkünden.

Potentiale zur Profilierung sind aber da: Mit Wirtschaft und Finanzen besitzt die Linke zwei wichtige Ministerien. Zudem stellt sie mit Ralf Christoffers und Helmut Markov zwei über die Parteigrenzen anerkannte Köpfe. Eine echte Chance aber ist das Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz. Hier könnte Ministerin Anita Tack mit einer Umweltpolitik punkten, die - zumindest laut linkem Partei-Programm - nachhaltiger daherkommt als die der SPD.

Auf vier Regionalkonferenzen muss die Linke dies nun ihrer Basis verkaufen. Am Mittwoch sollen Landesparteitage von SPD und Linke den Vertrag absegnen. Sie sei sich einer breiten Zustimmung sicher, erklärte Kaiser.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.