Zeitgeschichte: Linksterrorismus landet im Museum

Eine Ausstellung im Tacheles widmet sich der Frage, was eigentlich Terrorismus ist. Neben Klassikern wie Ulrike-Meinhof-Zitaten gibt es aktuelle Videoarbeiten und Collagen - zum Teil mit deutlich antideutschem Hintergrund.

Was diese beiden trieben, war eindeutig Terrorismus. Bild: AP

Wer es bis in die vierte Etage der Kulturruine Tacheles in Mitte geschafft hat, steht in gleißendem Licht. Dafür sorgt ein Scheinwerfer, der sich per Bewegungsmelder immer dann einschaltet, wenn sich ihm jemand nähert. Ein origineller Einstieg in eine Ausstellung, die sich der Frage widmet: "Was ist eigentlich Terrorismus?" Gefragt hat das Berliner Einstellungsbündnis. Es hat sich im August 2007 nach Verhaftung von vier Linken gegründet, die der Mitgliedschaft beziehungsweise Unterstützung der militanten Gruppe (mg) beschuldigt werden.

Das Einstellungsbündnis hatte in den vergangenen Monaten zahlreiche Veranstaltungen, Kundgebungen und Solidaritätsaktionen organisiert. Nach dem alle Beschuldigten unter Auflagen aus der Untersuchungshaft entlassen worden, ging die Solidaritätsarbeit weiter. "Schließlich laufen auch die Verfahren unverändert weiter. Am 9. und 16. April sollen vor der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe zwei angebliche FreundInnen der Beschuldigten als ZeugInnen vernommen werden", so Bündnis-Sprecherin Kerstin Schultheiß gegenüber der taz.

Vor vier Monaten lobte das Bündnis einen Wettbewerb unter der Fragestellung "Was ist Terrorismus?" aus. Ein Teil der Antworten ist bis 13. April im Tacheles und im Anschluss im Kreuzberger Stadtteilzentrum Bethanien zu sehen. Dabei ist ein buntgemischtes Potpourri aus Karikaturen, Videos, selbst geschriebenen Texten und Gedichten zusammengekommen. Die Publizistin Jutta Ditfurth etwa steuerte ein Zitat der Konkret-Kolumnistin Ulrike Meinhof aus den späten 60er-Jahren bei und vergaß auch nicht die Seitenzahl zu erwähnen, unter der es in ihrer aktuellen Meinhof-Biografie zu finden ist. Das Videokollektiv KanalB wagte sich in die Höhle des Löwen und fragte vor dem Eingang des Bundeskriminalamts PassantInnen, was für sie Terrorismus ist.

Auch mit den zahlreichen selbst verfassten Arbeiten wird zum Nachdenken angeregt. "Fragen eines lesenden Terroristen" ist eine Collage überschrieben. Auf dem dazugehörenden Fotos liest eine mit einem Palästinensertuch vermummte Person die antideutsche und erklärtermaßen antipalästinensische Publikation Bahamas. Wahrscheinlich erschließt sich nur dem engeren Kreis von PolitaktivistInnen die Bedeutung dieser Arbeit. Einfacher zu verstehen ist da schon ein satirisches Solidaritätslied an die mg: "ihre sind auch unsere themen wir - damit ihrs alle wisst - sollten sie als beispiel nehmen, sonst bleibt alles wie es ist."

In der Diktion und der konsequenten Kleinschreibung dieser Arbeit findet sich Anklänge an den provokativen Stil der Solidaritätsbewegung der 70er-Jahre, der der anderen ausgestellten Arbeiten fehlt. Schließlich hieß damals ein bekanntes Lied der Politband Cochise: "Wer sind denn die Terroristen?" In der heutigen Solidaritätsbewegung scheint es weitgehend vergessen. Zumindest tauchte es trotz dem Gleichklang der Fragestellung in der Ausstellung nicht auf.

Bis 13. April täglich 15-20 Uhr: Kunsthaus Tacheles, Oranienburgerstr. 54-56a, 14.-21. April: politisches Begleitprogramm im Bethanien, Mariannenstr. 2; einstellung.so36.net

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