Aufklärung am Jobcenter: Hartz-Bus zur Gerechtigkeit

Drei Wochen tourt ein Bus durch Berlin, um Arbeitslose über ihre Rechte aufzuklären. Viele haben Probleme, weil ihnen ein Zuverdienst angerechnet wird.

So etwas haben die Arbeitslosen-Berater noch nicht gehört. "Mein Ansprechpartner im Jobcenter wollte mich zu einem Rotwein einladen, im privaten Rahmen", erzählt die junge Frau, die auf dem Bürgersteig vor dem Jobcenter in Mitte steht. Sie ist freischaffende Künstlerin und bezieht schon länger Arbeitslosengeld II. Vor einem Jahr sei das unmoralische Angebot per Mail bei ihr eingegangen. "Es hat mich tierisch belastet. Schließlich hängt von dem Mann einiges ab. Zum Beispiel, ob ich eine Weiterbildung machen kann." Sie wollte ihn nicht verärgern - und sagte mit freundlichen Worten ab.

Die genauen Termine des Beratungsbusses stehen im Internet unter www.beratung-kann-helfen.de

Frank Steger vom Berliner Arbeitslosenzentrum (BALZ) schüttelt den Kopf. Dieser Fall sei sicherlich eine Ausnahme, sagt er. "Aber er zeigt, dass die Leute in einer Struktur sind, die sie erpressbar macht." Um die Arbeitlosen über ihre Rechte aufzuklären und ihnen das Ohnmachtsgefühl gegenüber dem Amt zu nehmen, touren Steger und seine Kollegen seit Montagmorgen mit einem kleinen Bus durch Berlin. Drei Wochen lang parken sie vor den Jobcentern und geben Tipps im Umgang mit der Behörde. Die Wohlfahrtsverbände unterstützen die Aktion.

Einer der Berater wendet sich an die junge Künstlerin. "Sie können den Ansprechpartner wechseln oder eine Person ihres Vertrauens zu den Terminen mitbringen", sagt er. Die Frau nickt. Das wisse sie inzwischen. Trotzdem bleibe ein mulmiges Gefühl, wenn sie ins Jobcenter müsse. Wie heute.

Dutzende Betroffene haben sich an diesem Vormittag bereits am Bus beraten lassen. Viele haben Probleme mit der Einkommensanrechnung, wenn sie sich zum Arbeitslosengeld etwas dazuverdienten, berichtet Steger. "In den Bescheiden wird der Rechenweg nicht offengelegt." Auch Umzüge, bei denen sich die Miete verteuere, seien Thema.

Eine kürzlich veröffentlichte Umfrage der Bundesagentur für Arbeit kommt zu dem Schluss, dass viele Lanzeitarbeitslose ihre Betreuung in den Jobcentern als befriedigend beurteilen. Die 35.000 Befragten gaben demnach im Schnitt die Schulnote 3. Viele vermerkten den Angaben zufolge als positiv, dass sie einen festen Ansprechpartner hätten. Steger überrascht das. Seiner Erfahrung nach wechselten häufig die Berater. "Sie müssen sich zudem um so viele Fälle kümmern, dass sie kaum Zeit haben." Er selbst würde die Arbeit der Jobcenter höchstens mit "ausreichend" bewerten.

Ein Betroffener, der das bestätigt, lässt nicht lange auf sich warten. "Jedes Mal habe ich einen anderen Berater, der wieder nicht weiß, worum es geht", sagt Manfred Meydorn, ein blonder Mann in kurzer Hose. Er ist Elektroingenieur, 58 Jahre alt, arbeitslos seit 2005. Er schimpft. "Ich bin es leid, wie ein Vieh an der Melkanlage anzustehen. Das ist menschenunwürdig."

Eine schmale Frau kommt zum Bus gelaufen. Sie zieht hektisch an ihrer Zigarette. Drei Monate habe sie das Geld für die Miete nicht erhalten, erzählt sie. "Das Jobcenter wollte immer weitere Papiere sehen." Nicht nur ihren Mietvertrag, auch die Einwilligung der Hausverwaltung zu diesem Vertrag. Jetzt drohe ihr die Kündigung.

Die junge Künstlerin kehrt am Mittag zufrieden von ihrem Termin mit dem Jobcenter-Mitarbeiter zurück. Heute habe er sich sehr korrekt verhalten, sagt sie. "Aber wenn es wieder ein Problem geben sollte, wechsele ich sofort den Berater."

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