Rauchverbot: Mit dem Rücken zur Nebelwand

Ein Friedrichshainer Wirt kämpft gegen das Rauchverbot - an der Spitze der "Genussinitiative Berlin", die ein Volksbegehren anstrebt. Sein Engagement für den Qualm macht ihn zum Medienstar auf Zeit.

Diese Zeiten sind in Berliner Kneipen vielleicht doch nicht bald vorbei.

Als Ulrich Kasiske das Schild vor acht Jahren an die Wand hinterm Tresen nagelte, ahnte er nicht dessen prophetische Kraft: "Rauchen bis auf Widerruf gestattet", steht auf vergilbtem Blech. Damals war das Schild reine Deko - aber damals gab es auch noch kein Rauchverbot, damals musste der Wirt nicht laut darüber nachdenken, einen "Nichtrauchertunnel" durch seinen Laden zu ziehen, damals verirrten sich auch keine Fernsehteams in die Friedrichshainer Eckkneipe: ins "Kasiske", wo Stoff-Elche neben Aktfotos hängen und Lichterketten für Atmosphäre sorgen. Jetzt ist Spiegel TV zum zweiten Mal da, Radio-Interviews sind Alltag, von der B.Z. bis zur SZ schreiben alle über Kasiske.

In Berlin ist ein umfangreiches Rauchverbot in Kneipen, Restaurants und Clubs in Kraft getreten. Es darf aber weiter geraucht werden, solange die Gastronomen eigens abgetrennte Raucherräume bereithalten, in denen keine Bedienung stattfindet und die kein Nichtraucher durchqueren muss. Etwa 1.000 Wirte in Berlin besitzen keinen zweiten Raum. Sie fühlen sich in ihrer Existenz bedroht und wehren sich. Sie gründen Raucherclubs oder bilden Initiativen. Ab Juli ist die Schonfrist vorbei. Bei Verstößen müssen Wirte 1.000 Euro und Gäste 100 Euro zahlen. MH

Denn der 40-Jährige kämpft für das Recht, seinen Gästen das Qualmen zu erlauben - schließlich seien sie zu 95 Prozent Raucher - "mindestens!". Trotz Verbot stellt der Mann mit der Buddy-Holly-Brille die f6-Ascher auf jeden seiner 25 Holztische. Das halbe Jahr bußgeldfreie Schonfrist will er bis zur letzten Sekunde ausnutzen: "Wie ich das Gesetz lese, ist Rauchen in Kneipen ja noch nicht illegal", sagt er zur TV-Reporterin und stützt sich mit breiten Armen auf den Tresen, auf dem Kopf thront das "Kasiske"-Käppi, um den Berufsbauch spannt sich ein feines blaues Hemd. So ist Kasiske richtig telegen. "Ich werd hier noch zum Star", freut er sich. Die Gäste freuen sich mit und pusten fröhlich Qualmwölkchen ins Schummerlicht. Bei Kasiske wird gelacht, berlinert, getrunken, geraucht. Und so soll es bleiben, findet der Wirt, der selbst wenig raucht: Luckies, "nur ab Mitternacht".

Deshalb hat er mit Stammgästen und Freunden die "Genussinitiative Berlin" gegründet und kämpft an vorderster Front der Pro-Qualm-Bewegung. Die will das Rauchverbot per Volksbegehren schleifen. "Die Wirte sollen entscheiden dürfen, ob sie eine Raucher- oder eine Nichtraucherkneipe betreiben wollen", sagt Thoma Michel, Stammgast, Zigarilloraucher und so etwas wie der Sprecher der Initiative. Zuerst brauchen sie 20.000 Unterschriften innerhalb eines halben Jahres, nach sechs Wochen haben sie schon 6.000. Stolz hält Ulrich Kasiske einen dicken Stapel in die Kamera, die Ausbeute eines Tages. "Uns geht es nicht nur ums Rauchen", sagt er ins Kameralicht, "wir kämpfen für das letzte Fitzelchen Freiheit." Für solche Sätze lieben ihn die Gäste. An einen Erfolg glaubt dagegen niemand so recht. "Die Chance, dass es klappt, ist vielleicht ein Prozent", schätzt Richard Braun, der im Billardraum für Pall-Mall-Dunst sorgt. Auch sein Spielpartner glaubt nicht an einen Erfolg. "Schön wärs natürlich."

Selbst wenn Kasiskes Mission gelänge und er auch die 170.000 Stimmen im zweiten Schritt des Volksbegehrens zusammenbekäme - bis zum Ende der Schonfrist wäre das nicht zu schaffen. Daher der "Nichtrauchertunnel": Ein luftdichter Gang aus Rigipsplatten soll die Nichtraucher vom Tresenraum durch den Raucherbereich hindurch zu den Klos führen. "Da baue ich noch schön ein paar alte Fenster rein", sagt Kasiske. Das wäre dann ein bisschen wie im Aquarium: Die Nichtraucher können die Raucher beim Qualmen beobachten. Für Kasiske ein grausiger Gedanke, schon allein, weil ohnehin nicht alle rauchenden Gäste in den Raucherraum passten. Er erwartet Einbußen um 40 Prozent, "das ist für einen Kneiper nicht zu packen". Doch noch ist die Sache nicht verloren, Kasiske bleibt Optimist. Als die Barfrau das Fenster kippt und kalte Luft hereinströmt, fragt er: "Willste die Gäste vergraulen?" - "Nee, wegen der frischen Luft", antwortet sie. Da reißt Kasiske die Augen auf, ruft "Na hör mal!" und lacht. So was. Die raucht doch selbst.

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