Großeinsatz der Polizei bei Hells-Angels-Treff: Rockertreff nach Friedensbruch

Am Wochenende wollen sich mehrere hundert Hells Angels treffen. Die Polizei bereitet einen Großeinsatz vor, denn die Kämpfe der Motorradrocker mit den verfeindeten Bandidos flammten zuletzt wieder auf - mit Axtangriffen und Sprengsätzen.

Logo des international verbreiteten Motorradclubs Bild: ap

Es sollte eine Demonstration der Stärke werden, ein Fingerzeig an die verfeindeten Bandidos. Doch nun stehen die Berliner Hells Angels mit einer herben Schlappe da. Die berüchtigten Motorradrocker müssen bei ihrem Jahrestreffen in Berlin ohne den für Samstag geplanten Motorradkorso auskommen. Den haben sie "aufgrund der Blockadehaltung und Willkür durch Behörden und Gerichte" abgesagt.

An diesem Wochenende werden mehrere hundert Hells Angels aus dem Bundesgebiet in Berlin erwartet. Die Rocker laden zu "Barbecue, Drinks, sexy Girls und Streetfighter Shows" in ihr Vereinsheim am Spandauer Damm in Charlottenburg ein. Die Polizei hatte für die Zusammenkunft strenge Auflagen erteilt. So ist es den Rockern nicht gestattet, die parallel von einfachen Motorradfans veranstalteten "Harley Days" am Salzufer zu besuchen. Auch den nun abgesagten Korso wollte die Polizei unterbinden.

Auch so will die Polizei am Wochenende ein Auge auf die Hells Angels werfen. "Es ist nicht auszuschließen, dass sich doch noch einige der Rocker spontan zum Motorradkorso durch die Stadt entschließen", sagte Polizeisprecher Thomas Miller. Außerdem müsse verhindert werden, dass die Hells Angels mit den verfeindeten Bandidos zusammentreffen. Mehr als 1.000 Polizisten werden am Wochenende im Einsatz sein.

Nicht ohne Grund, denn zuletzt waren Auseinandersetzungen im Rockermilieu eskaliert. Im Berliner Umland gingen Hells Angels und ihre Rivalen der Bandidos wiederholt aufeinander los. Dabei sollen beide Clubs noch im Dezember 2008 eine Art Waffenstillstand geschlossen haben. Davon ist heute nichts mehr übrig.

"Der sogenannte Friedensschluss wird nicht mehr überall gleichermaßen eingehalten", bestätigt Toralf Reinhardt, Sprecher des Landeskriminalamtes (LKA) Brandenburg. Zwar seien die bundesweiten Führungsspitzen der Hells Angels und Bandidos weiter an einem Waffenstillstand interessiert - könnten aber keine Garantien geben, dass sich jedes ihrer Mitglieder an die Vereinbarung halte, so Reinhardt.

"Wir befinden uns in einer zugespitzten Situation", erklärt auch Bernd Finger, Leiter der Abteilung "Organisierte Kriminalität" beim Berliner LKA. "Im kriminellen Milieu, wo es um Konkurrenz und Profitmaximierung geht, kann es keinen Waffenstillstand geben." Die Polizei ordnet Hells Angels und Bandidos der organisierten Kriminalität im Türsteher- und Drogenmilieu zu.

Erst vor zwei Wochen versuchten etwa 50 Unterstützer der Hells Angels die Table-Dance-Bar "Gold Club" an der Oranienburger Straße in Mitte zu stürmen. Sie waren in Kleinbussen angereist, trugen weiße Theatermasken und meinten es ernst: Im Gepäck hatten sie Teleskopschlagstöcke, Schlagringe, Quarzsandhandschuhe, eine Schussweste und ein Funkgerät. Die Polizei konnte die Rocker stoppen, nahm 34 Männer fest und stellte elf Fahrzeuge sicher.

Bereits wenige Tage zuvor sollen mehrere dutzend Bandidos den "Gold Club" aufgesucht haben - ohne Ausschreitungen. Bei den Aktionen habe es sich "um mehr als bloßes Machtgehabe" gehandelt, so ein Ermittler. "Denen geht es um die Sicherstellung illegaler Einnahmequellen." Die Polizei ermittelt nun gegen die Hells-Angels-Unterstützer wegen schweren Landfriedensbruchs, der Bildung bewaffneter Gruppen sowie Verstößen gegen das Waffen- und Betäubungsmittelgesetz.

Der Vorfall beweist: Die Konkurrenz zwischen Bandidos und Hells Angels wird wieder erbittert ausgefochten. Besonders brutal trat dies zuletzt in Brandenburg zu Tage. Noch im März hatte die Polizei ein Aufeinandertreffen von rund hundert angereisten Bandidos mit Hells Angels in Eberswalde verhindert. Die Beamten beschlagnahmten dabei Schlagstöcke, Messer und Sturmhauben.

Anfang Juni folgte ein Überfall auf das Vereinshaus der Chicanos, eines Unterstützer-Clubs der Bandidos, in Ludwigsfelde (Teltow-Fläming). Vermummte Angreifer zertrümmerten mit Knüppeln das Interieur und prügelten drei "Chicanos" mit Schädelbrüchen ins Krankenhaus.

Zwei Wochen später waren es vier führende Mitglieder der "Hells Angels", die nach einem Angriff schwerverletzt in ihrem zerdepperten Auto in Finowfurt (Barnim) zurückblieben. Dem Präsidenten der "Hells Angels Nomads" steckte ein Messer im Rücken, seinem Mitstreiter wurde mit einer Axt das rechte Bein beinah abgetrennt. Die Polizei ermittelt wegen des Verdachts der versuchten Tötung.

Zuletzt musste das LKA vor zwei Wochen erneut in Eberswalde eingreifen - und einen scharfen Sprengsatz unter dem Auto eines Chicano-Mitglieds bergen. 70 Anwohner mussten ihre Wohnungen verlassen.

Die dichte Folge der Angriffe und Attacken selbst auf Führungspersonen der Rockerclubs, das ist eine neue Stufe der Eskalation zwischen Hells Angels und Bandidos. "Beide Seiten wissen, dass diese Angriffe nicht unbeantwortet bleiben", sagt LKA-Abteilungsleiter Finger. "Das macht diese Gruppierungen zu Getriebenen ihrer eigenen, völlig kruden Ideologie."

Auch das LKA Brandenburg will mögliche Vergeltungsaktionen nicht ausschließen. LKA-Sprecher Reinhardt erklärt die jüngsten Angriffe auch mit jahrelangen, persönlichen Rivalitäten zwischen Protagonisten der Hells Angels und Bandidos in der Region. "Diese persönlichen Feindschaften sind bei jeder sich bietenden Gelegenheit Ausgangspunkt für wechselseitige Angriffe", so Reinhardt. Besonders im Kreis Barnim kulminiere die Gewalt. Um im Kampf um die Gebietshoheiten in Berlin und Brandenburg nicht zurückzustehen, bauen Hells Angels und Bandidos ihre Präsenz in der Region aus - mit immer neuen Clubgründungen.

Zuletzt tauchte in Berlin bei den Hells Angels eine "Brigade 81" mit Klubhaus in Hohenschönhausen auf. Die Gegenseite gründete mit den "Bandidos South" ihre inzwischen vierte Berliner Sektion. In Brandenburg zählt das LKA seit Ende 2008 vier neugegründete Bandidos- bzw. Chicanos-Chapter im Land: Barnim, Teltow-Fläming, Brandenburg/Havel und Teltow. Bei den Hells Angels formierte sich im Dezember 2008 ein neues Chapter in Potsdam. Laut LKA-Angaben bestehen die neuen Sektionen aber oft aus lediglich einer Handvoll Personen. "Das sind Strohmann-Gruppen, die mehr der Propaganda dienen als dem Gebietsgewinn", sagt ein Berliner Ermittler.

Dennoch wird auch personell aufgestockt: Einst strikte Aufnahmekriterien für eine Club-Mitgliedschaft werden zusehends aufgeweicht. Rekrutieren die Bandidos vornehmlich Migranten, kommen bei den Hells Angels viele Neuzugänge aus dem Hooligan-Milieu. "Die Clubs versuchen andere, ebenfalls gewaltbereite Spektren zu integrieren", so LKA-Mann Finger. Nicht ohne Risiko - denn viele Neumitglieder erweisen sich nicht nur für die Polizei, sondern auch für die Rockerclubs als unberechenbar. Bernd Finger interpretiert die Mitgliederexpansion daher als Schwäche der Rockerszene: "Das zeigt, dass die Gruppen mit ihrer Alt-Herren-Substanz nicht mehr zurechtkommen."

Die Berliner Polizei reagiert mit einer Null-Toleranz-Strategie. "Fast jede Nacht" sei man auch in puncto Rockerkriminalität unterwegs, arbeite eng mit Kollegen aus Brandenburg zusammen, so Finger. Aufgrund der Weitläufigkeit der Mark hätten sich dennoch die Auseinandersetzungen dorthin verlagert. In Brandenburg widmet sich deshalb seit vergangenem Sommer eine LKA-Sonderkommission "Rocker" der Szene.

Dass Polizeiauflagen nun die Hells Angels gar zu einer Absage ihres City-Runs zwingen, dürfte den Rockern übel aufstoßen. Bereits im Vorjahr war ihnen ihr Motorradkorso verboten worden - das Treffen fand dennoch statt. Elf Rocker wollten am Ende doch noch den Korso erzwingen und starteten mit ihren Motorrädern durch. Die Polizei stoppte sie durch ausgerollte Nagelmatten.

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