Berlins Finanzsenator geht zur Bundesbank: Sarrazins Höchstleistungen und Tiefschläge

Nun ist es offiziell: Thilo Sarrazin geht. Nicht jeder wird dem Finanzsenator eine Träne nachweinen, zu viele hat er mit seinen Sprüchen vergrätzt. Dabei hat er seine Sache gar nicht schlecht gemacht.

Ein Mann geht seinen Weg: Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) wechselt zur Bundesbank Bild: dpa

DIE HÖCHSTLEISTUNGEN

Um zu bewerten, was der im Mai zur Bundesbank Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) in Berlin bewirkte, reicht ein Blick zurück ins Jahr 1 v.S. - ins Jahr eins vor Sarrazin: Berlin war 2001 ein Bundesland der Subventionen, das sich weitgehend gern von Bonn oder neuerdings von gleich um die Ecke aushalten ließ. Ein Land, das nicht wahrhaben wollte, dass es weiter so Geld ausgab, als sei es noch Frontstadt oder Schaufenster des Ostens. Ein Land, in dessen Haushalt ein Fünf-Milliarden-Loch klaffte. In Sarrazins sieben Jahren als Finanzsenator wurde daraus ein Land, das 2008 fast eine Milliarde Schulden tilgte.

Sarrazins größte Fähigkeit bestand und besteht weiter darin, die finanzielle Misere haarklein offen zu legen. Auch als er am Dienstag anlässlich seiner Nominierung für die Bundesbank ein Resümee vorwegnahm, beschönigte er nicht: Seinem noch unbekannten Nachfolger - der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit will sich mit der Ernennung Zeit lassen - hinterlasse er weiterhin eine Baustelle, wenn auch eine geordnete.

In der Tat: Der Finanzsenator führte Folien ein, auf denen Kurven meist nach unten verliefen und Berlins Ausgaben in Balkendiagrammen meilenweit vor denen anderer Länder lagen. Er verließ sich nicht auf die Zahlen seiner Senatskollegen, er rechnete selbst und wies manches Mal nach, dass die Herren und Frauen Senatoren schlicht nicht sparen wollten.

Dass alles wäre aber nicht gegangen, wenn Wowereit trotz aller Kritik an Sarrazins Kurs festgehalten hätte. "Jeder Finanzminister ist immer nur so stark wie sein Regierungschef", bestätigte Sarrazin zum Abschied noch einmal - ohne Wowereit wäre es nicht gegangen. Von dem kam eben nicht irgendwann mal jenes "Hans, lass mal gut sein", mit dem einst Bundeskanzler Schröder seinen Finanzminister Eichel in seinem Spareifer abrupt stoppte.

Wowereit wiederum hätte ihn nicht gestützt, wenn ihm nicht klar gewesen wäre, dass er zu Sarrazin keine wirkliche Alternative hatte.

Und so konnte Sarrazin sich nicht bloß gegen die Sozialpolitiker seiner Partei durchsetzen, als er an auch sensiblen Stellen im Sozialetat kürzte. Er ließ sich auch vom damaligen Parteichef und Senatskollegen Peter Strieder nicht aufhalten, als er 2003 die immens teure Anschlussförderung im sozialen Wohnungsbau kappte.

Insofern endet Sarrazins Zeit in Berlin tragisch: Aus dem ausgeglichenen Haushalt mit Schuldenabbau wird dieses Jahr wegen der Wirtschaftskrise, diverser Rettungs- und Konjunkturpakete samt Steuerausfällen wieder eine mehrere 100 Millionen schwere Neuverschuldung.

DIE TIEFSCHLÄGE

Politik ist mehr als nur ein ausgeglichener Haushalt, mehr als Schuldentilgung und verantwortliche Ausgabenpolitik. Politik besteht zum großen Teil auch aus Symbolen, Gesten und Worten, es geht darum, eine Haltung zu vermitteln. In dieser Disziplin aber war Thilo Sarrazin in seinen rund sieben Jahren als Finanzsenator ein Totalausfall. Nicht dass seine vielkritisierten Äußerungen überhaupt keinen wahren Kern gehabt hätten - das hatten sie durchaus. Aber es gibt eben solche und solche Wege, Probleme anzusprechen. Sarrazin wählte meist den falschen.

"Wenn Sie an die Dinge heranwollen, dann müssen Sie ihren Kern der Sache anschaulich auf den Tisch bringen", meinte der Finanzsenator dazu einmal im taz-Interview. Dieser Tisch aber war für ihn vor allem der Stammtisch, wo schon immer die einfachen Parolen zuhause sind. "Das kleinste Problem von Hartz-IV-Empfänger ist das Untergewicht", sagte er Anfang 2008 - und haute damit auch jene in die Pfanne, die eben nicht Erdnussflips essend vor dem Fernseher sitzen, sondern die Zeitungen nach Stellenanzeigen durchforsten.

Gleich zu Beginn seiner Amtszeit 2002 unterstellte Sarrazin seinen Beamten "bleich und übel riechend" herumzulaufen. Natürlich gibt es überall den Typ des Beamten, der noch weniger als Dienst nach Vorschrift macht. Aber Sarrazin traf auch all die Engagierten.

Ebenso kontraproduktiv war seine Aussage zur beabsichtigten Fusion von Berlin und Brandenburg. "Machen wir uns nichts vor, ein gemeinsames Land besteht aus Berlin mit angeschlossener Landschaftspflege." Damit bestätigte Sarrazin tief sitzende Ängste in Brandenburg - und demontierte ein Projekt, das er eigentlich stützt. Auch wegen dieser Äußerung ist die Fusion weiter entfernt denn je.

In einem anderen Fall hatte seine Partei den Schaden. Denn Sarrazin bot gerade dann an, auch für fünf Euro arbeiten zu gehen, als sich die SPD für 7,50-Euro-Mindestlohn stark machte. Davon rückte er zwar wieder ab, doch der Eindruck war da, dass die Sozis nicht mit einer Stimme sprechen. "Dumm, dümmer, PDS" verärgerte er in einer Talkshow auch den Koalitionspartner - das kann sich nicht leisten, wer an einem möglichst reibungslosen Miteinander interessiert ist.

Solange Berlin und die Koalition Sarrazin brauchten, weil offensichtlich er und nur er in den Lage war, den dringend nötigen Sparkurs allen Widerständen zum Trotz durchzuziehen, ließ sich all das als Kollateralschäden verbuchen. Seine Sparpolitik ist aber inzwischen auch in anderen Köpfen angekommen, auch wenn die Finanzkrise die erfolgreichen Bemühungen um einen ausgeglichenen Landeshaushalt konterkariert. Berlin kann inzwischen auf Sarrazin verzichten - und auf seine Sprüche sowieso.

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