Prämierter Entwurf für die Mauergedenkstätte: Senat baut die Mauer wieder auf

Stangenreihe soll die Mauer an der Bernauer Straße wieder erlebbar machen. Berliner Team gewinnt Gestaltungswettbewerb. Überzeugender Entwurf.

Links der Infopavillion an der Gartenstraße, rechts im Hintregrund die Mauer aus Stangen entlang der Bernauer Straße Bild: Mola Winkelmüller Architekten

Die Mauergedenkstätte erstreckt sich künftig über 1,5 Kilometer vom Nordbahnhof bis zum Mauerpark auf einer Fläche von 45.000 Quadratmetern.

Am Nordbahnhof entsteht ein Infopavillon. Die zwei Etagen sind schräg versetzt. Das Erdgeschoss steht parallel zum Mauerverlauf in der Gartenstraße, das Obergeschoss orientiert sich am Grenzverlauf in der Bernauer Straße.

Zwischen Gartenstraße und dem schon bestehenden Mauermahnmal wird ein Fenster der Erinnerungen gebaut. Es gleicht einem regalartigen Urnengrab. In den Fächern sollen - so vorhanden - Bilder der Mauertoten gezeigt werden.

Bis zur Brunnenstraße bleibt der einstige Grenzstreifen unbebaut. Auf diesem Abschnitt wird entlang der Bernauer Straße die Mauer wieder errichtet, allerdings aus einer lose gereihten Folge von Stahlsäulen, die man überall passieren kann. Die Freifläche wird mit Wiese bepflanzt.

Von der Brunnenstraße bis zum Mauerpark darf der Mauerstreifen mit neuen Häusern bebaut werden. Allerdings bleibt der Postenweg, auf dem die DDR-Grenzer einst patroullierten, öffentlich zugänglich.

An rund 120 Erinnerungspunkten markieren gullideckelgroße Platten Orte von Fluchtversuchen, politischen Aktionen, Todesopfern oder weitere Ereignisse. An 22 Themenstationen liefern jeweils mehrere Stelen per Text, Ton oder Video Informationen. Hier ist zum Teil auch an großflächige Projektionen auf die Brandwände benachbarter Häuser gedacht. Auch der Verlauf von rund zehn Fluchttunneln wird im Boden markiert.

Alle Markierungen, die Stelen, das Fenster der Erinnerungen und der Pavillion werden mit Cortenstahl errichtet, der sich durch eine rostige Oberfläche auszeichnet.

Die Aufgabe war keine leichte. Mehr als 170 Teams wollten sich ursprünglich am Gestaltungswettbewerb für die Mauergedenkstätte an der Bernauer Straße beteiligen. Doch nur 47 reichten tatsächlich Entwürfe ein. Umso glücklicher zeigten sich am Donnerstag die Juroren des Wettbewerbs, einen eindeutigen Sieger präsentieren zu können. Zehn von elf Juroren stimmten für den Entwurf, den die Berliner Architekten Luis Mola und Henner Winkelmüller zusammen mit drei Landschaftsarchitekten sowie einem Ausstellungsgestalter eingereicht hatten. Sie schlagen eine sehr zurückhaltende Kartierung der Mauerspuren durch schlichte Stahlstelen vor. Auch die Form der Mauer soll durch aufgereihte Stangen wieder erlebbar werden (s. Kasten).

Damit findet eine hitzige Debatte ihr offenbar sehr gutes Ende. Ausgelöst wurde sie durch Alexandra Hildebrandt. Die umstrittene Leiterin des Museums am Checkpoint Charly hatte 2004 an dem einstigen Grenzübergang 1.067 überdimensionale Holzkreuze aufstellen lassen. Die mit Pathos überladene Installation wurde ein Jahr später wieder abgerissen, nachdem das Landgericht die Räumung zugelassen hatte. Offen blieb aber die Frage, wie Berlin seiner Geschichte als Stadt der Mauer gerecht wird.

Im Mittelpunkt der Diskussion stand der damalige Kultursenator Thomas Flierl (Linke), dem viele aufgrund seiner Ostgeschichte kein geeignetes Konzept zutrauen wollten. Doch von ihm stammt das 2006 vom Senat beschlossene Konzept für eine Erinnerungslandschaft an der Bernauer Straße, auf dem der Gestaltungswettbewerb beruht.

Flierl ist längst nicht mehr im Amt. Und so gereicht ihm das Gedenkkonzept nicht mehr zur politischen Profilierung. Weder der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), der im Senat auch für Kultur zuständig ist, noch sein Staatssekretär André Schmitz fanden am Donnerstag aber die Zeit, die Juryentscheidung vorzustellen. Letzterer nannte den Siegerentwurf wenigstens in einer Pressemittelung "überzeugend".

Das Fenster der Erinnerung: Wie in einem Urnengrab soll der Mauretoten gedacht werden Bild: Mola Winkelmüller Architekten

Vor Ort blieb das Loben der Senatsbaudirektorin Regula Lüscher überlassen, die von einer "außerordentlich schlüssigen Arbeit" sprach. Auch die Jury-Vorsitzende Donata Valentin freute sich, dass das Team die schwierige Balance zwischen notwendiger Zurückhaltung und eigener architektonischer Sprache gehalten habe. Andere Entwürfe hätten entweder zu sehr den Horror inszeniert oder in überzogener Weise die Leere des Raumes betont, sagte Valentin. So sei etwa vorgeschlagen worden, den kompletten Grenzstreifen zu asphaltieren. Wie sehr sich der Siegerentwurf davon abhebt, kann die Öffentlichkeit Ende Januar nachvollziehen. Dann sollen alle 47 Wettbewerbsbeiträge ausgestellt werden.

Die Umsetzung soll in Teilen schon am 9. November 2009, dem 20. Jahrestag des Mauerfalls, zu sehen sein. Mindestens der Infopavillon könne dann eröffnet werden, so Rainer Klemke von der Kulturverwaltung. Zum 50. Jahrestags des Mauerbaus, dem 13. August 2011, soll alles fertig sein. Das Projekt liege zeitlich wie finanziell im Plan. 14,5 Millionen Euro werden für den Kauf der Grundstücke fällig. Weitere 12 Millionen sind für den Bau des Pavillons und die Open-Air-Ausstellung vorgesehen.

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