Mindestlohn ins Vergabegesetz: Senat räumt mit Ausbeutung auf

Rot-Rot will erneut einen Mindestlohn von 7,50 Euro bei allen öffentlichen Aufträgen durchsetzen. Handwerker hoffen auf Schutz vor Dumpingkonkurrenz.

Hoffentlich kloppt die EU die höhere Lohnlatte in Berlin nicht wieder in die Tonne. Bild: Jörg Sarbach/AP

Die rot-rote Koalition nimmt einen zweiten Anlauf, um einen Mindestlohn von 7,50 Euro pro Stunde bei allen öffentlichen Aufträgen zu verankern. "Der Mindestlohn und die Tariftreue sind für mich die zentralen Punkte", sagte Michael Müller, Partei- und Fraktionsvorsitzender der SPD, am Mittwochabend bei einer Veranstaltung von Gewerkschaften und Umweltverbänden im Abgeordnetenhaus. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion, Stefan Liebich, sagte, der Mindestlohn soll automatisch angepasst werden, damit "die 7,50 Euro nicht für die nächsten 50 Jahre in Stein gemeißelt sind".

Die Koalition wollte bereits im vergangenen Frühjahr über das Vergabegesetz einen Lohn von 7,50 Euro bei allen Aufträgen des Landes durchsetzen. Doch dann brachte der Europäische Gerichtshof im April 2008 überraschend ein vergleichbares niedersächsisches Gesetz zu Fall. Daraufhin überarbeitete die Verwaltung von Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) das Vorhaben. Der neue Entwurf für das Vergabegesetz soll in den nächsten Wochen vom Senat beschlossen werden, anschließend beginnt das Gesetzgebungsverfahren im Abgeordnetenhaus. Müller sagte, wenn die Wirtschaftsverwaltung jetzt einen Weg gefunden habe, den Mindestlohn doch noch durchzusetzen, dann sei er "heilfroh, und dann haben sich die 12 oder 14 Monate Warten auch gelohnt".

Liebich stellte auf der Grundlage seiner "intensiven Gespräche mit der Wirtschaftsverwaltung" in Aussicht, dass das Gesetz nicht nur einen Mindestlohn von 7,50 Euro enthalten wird, sondern auch eine Tariftreue-Klausel für jene Branchen, in denen es einen Tarifvertrag mit einem höheren Stundenlohn gibt. Die Auftragnehmer sollen zudem die wichtigsten von der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) aufgestellten Standards einhalten. Betriebe mit Auszubildenden sollen bevorzugt an Aufträge kommen. Darüber hinaus soll es auch Vorgaben zum umweltgerechten Einkauf sowie zur Gleichstellung von Frauen und Männern geben. Damit die Auftraggeber - Senat, Bezirke, landeseigene Betriebe - die neuen Vorgaben bei ihren Ausschreibungen umsetzen können, soll es eine neue zentrale Beratungsstelle für die Verwaltung geben. Bei den Betrieben müsse es laut Liebich "härtere Kontrollen und härtere Strafen" geben, um die Vorgaben auch durchzusetzen.

Und noch ein Problem soll das Gesetz lösen: "Die Änderung des Vergabegesetzes wird ökologische Kriterien bei den Zuschlagskriterien berücksichtigen", so Brigitte Schmidt, eine der Sprecherinnen von Wirtschaftssenator Wolf, auf taz-Anfrage. Bisher sind die Ökokriterien lediglich durch einen Beschluss des Abgeordnetenhauses festgelegt. Der Beschluss ist allerdings formal nicht verbindlich. Die Verwaltung von Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD), die für fast alle Ausschreibungen des Senates zuständig ist, setzt den Beschluss bisher nicht um, sondern wartet erst auf verbindliche Vorgaben durch das Vergabegesetz.

Die Handwerkskammer begrüßt den erneuten Vorstoß für einen Mindestlohn bei öffentlichen Aufträgen. "Das ist ein gutes Mittel, um Dumpingkonkurrenz für unsere Betriebe zu verhindern", sagte Kammersprecherin Susan Shakery der taz.

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