Kulturpolitik: Vom Mauerrest zum Trümmerhaufen

Der East Side Gallery droht das Ende. Die Mauerstücke zerbröseln, der Rost frisst am Beton, die Motive verblassen. Kulturausschuss kritisiert, dass Senat und Bezirk nicht rechtzeitig reagiert haben und die nötigen Gelder nicht fließen.

Kein schöner Anblick. Die East Side Gallery Bild: dpa

Vom berühmten sozialistischen Zungenkuss ist kaum mehr als ein Schmätzchen übrig. Leonid Breschnew und Erich Honecker sind auf Dimitri Vrubels Mauerbild "Mein Gott, hilf mir, diese tödliche Liebe zu überwinden" verblasst und zerbröselt. Wenig besser verhält es sich mit Birgit Kinders Gemälde "Test the Best". Statt die Mauer zu durchbrechen, gleicht der Trabbi selbst einem Trümmerhaufen. Und wer Susanne Jellineks "Curriculum Vitae" - das Graffito erzählt die Geschichte der Berliner Mauer - nachlesen will, erkennt nur mühsam einen Text. Man muss viel Fantasie aufbringen, die 106 Motive auf den Mauerblöcken an der Mühlenstraße zu entschlüsseln, die einst als "East Side Gallery" weltbekannt geworden sind.

Seit Jahren verfallen die Mauerbilder, jetzt droht der denkmalgeschützten East Side Gallery das Ende, weil das Land, der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und die Berliner Denkmalbehörde die Bewahrung, nötige Sanierungsschritte und Termine haben verstreichen lassen. Zudem sind Mittel in Millionenhöhe zur Reparatur nicht rechtzeitig geflossen. "Die East Side Gallery ist in Gefahr", sagte Kani Alavi, Vorsitzender der Künstlerinitiative "East Side Gallery e. V.", am Montag bei der Anhörung zum Thema im Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses. Wenn nicht schnell regiert werde, "ist die East Side Gallery für Berlin verloren".

Alavi listete die Versäumnisse auf: Obwohl das Bauwerk seit 1992 unter Schutz stehe und im Jahr 2000 die Sanierung beschlossen wurde, "sind danach noch immer Teile aus der East Side Gallery herausgebrochen worden". 2005 habe man Mittel in Höhe von rund 1,6 Millionen Euro für die Erneuerung der Mauer und die Instandsetzung der Bilder beantragt und weitere Gelder eingefordert. 2006 seinen Mauerstücke gegenüber der Anschutz-Arena gefallen und der Sanierungstermin auf 2007 verschoben worden. Jetzt wollen der Bezirk und die Denkmalbehörde erst 2008 an die Mauer ran. Alavi: "Das ist zu spät."

Kulturstaatssekretär André Schmitz (SPD) und Berlins Landeskonservator Jörg Haspel mussten einräumen, dass die rund eine Million Euro Fördermittel für die Mauersanierung zwar beschlossen, aber noch nicht bereitgestellt worden seien. Über den Antrag, die Gelder (rund 600.000 Euro) zur Wiederherstellung der Kunstwerke bei der Lottostiftung loszueisen, sei dagegen noch gar nicht entschieden, erklärten sie.

Während Haspel den Bezirk aufforderte, sich stärker zu engagieren, gelobte Schmitz Besserung. Der Senat werde "jetzt alles tun, die Finanzierung der East Side Gallery zu sichern". Mauer und Kunstwerke müssten erhalten und restauriert werden. Es sei für Berlin wichtig, "dass die Gemälde wieder erstehen".

Alice Ströver (Grüne), Vorsitzende des Kulturausschusses, sagte, der Umgang mit der East Side Gallery sei "kein Ruhmesblatt für den Denkmalschutz in Berlin gewesen". Sie forderte die umgehende Sanierung. Zugleich schlug Stöver vor, dass der Mauerabschnitt mit einer "ergänzenden Kommentierung" für Besucher ausgestattet werden sollte.

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