Staatsanwälte: "Von der Aue hätte gelassener sein können"

Der umstrittene Staatsanwalt Roman Reusch wird versetzt. Dass die auf eigenen Wunsch passiert ist, bezweifelt Vera Junker, Vorsitzende der Vereinigung Berliner Staatsanwälte.

taz: Frau Junker, trifft der Eindruck zu, dass bei der Staatsanwaltschaft Personalchaos herrscht?

Der umstrittene Chef der Intensivtäterabteilung der Staatsanwaltschaft, Roman Reusch, wird versetzt. Er werde künftig "auf eigenen Wunsch" in der Generalstaatsanwaltschaft tätig sein, teilte am Dienstag ein Justizsprecher mit. Reusch hatte mit Äußerungen über kriminelle Jugendliche aus Einwandererfamilien für Aufsehen gesorgt. Sein Nachfolger an der Spitze der Intensivtäterabteilung wird Oberstaatsanwalt Ingo Kühn. Der 45-jährige parteilose Ankläger habe ebenfalls Erfahrungen im Bereich Jugendkriminalität, hieß es. Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD), die Reusch ein öffentliches Redeverbot erteilt hatte, begrüßte die Entscheidung.

Vera Junker: Der Eindruck ist falsch. In der Intensivtäter-Abteilung herrschte in den letzten Tagen allerdings eine gewisse Unsicherheit darüber, wer die Abteilung 47 weiterhin leiten wird und wer als Dezernent dort arbeiten wird. Es ging um zwei Positionen, die sehr öffentlichkeitswirksam sind.

Der bisherige Leiter der Abteilung 47, Roman Reusch, ist am Dienstag versetzt worden. Die Grünen und Teile der Medien hatten dies in den letzten Tagen wiederholt gefordert.

Die Medien sahen das höchst unterschiedlich. Die einen reagierten sachlich, andere weniger sachlich

Die "Bild"-Zeitung feierte Reusch als Deutschlands mutigsten Staatsanwalt. Die taz nannte ihn Justiz-Rambo.

Die Boulevard-Meinung der Bild-Zeitung interessiert mich nicht sonderlich. Über die taz habe ich mich aber ziemlich geärgert. In dem Kommentar werden falsche Tatsachen behauptet: Dass Herr Reusch gegen das Gesetz verstoße und seine politische Meinung in seine Arbeit einfließen lasse. Beides ist falsch. Das ist ehrabschneidend.

Reusch ist abgelöst worden, weil er in der Öffentlichkeit extreme Thesen vertreten hat. Zum Bespiel hat er dafür plädiert, "ausländische Kriminelle außer Landes" zu schaffen oder durch Sicherungshaft "aus dem Verkehr zu ziehen".

Das sind politische Meinungen von Herrn Reusch. Ich teile sie nicht. Auch viele andere Kollegen tun das nicht. Aber ich bin eine leidenschaftliche Verfechterin der Meinungsfreiheit, solange sie nicht verfassungsfeindlich ist. Meinungsfreiheit ist eines der wichtigsten Güter, die wir haben. Das ist wichtig für den politischen Diskurs. Ich halte auch nichts von Maulkörben für Staatsanwälte, solange deutlich wird, dass sie ihre Privatmeinung und nicht die Meinung der Behörde vertreten.

Ist ein Staatsanwalt, der so denkt, noch in der Lage, Verdächtige - unabhängig von Pass und Hautfarbe - gleich zu behandeln?

Natürlich. Jede Maßnahme, wie zum Beispiel Untersuchungshaft, wird von einem Richter abgesegnet. Kaum eine Akte wird so öffentlich geführt und geht durch so viele Hände, wie eine Strafakte. Staatsanwälte, deren Vorgesetzte, Richter, Verteidiger - die Privatmeinung eines Staatsanwalts kann sich in der Praxis gar nicht auswirken.

In Ihren Augen war Reusch als Leiter der Abteilung 47 also noch tragbar?

Absolut.

Es heißt, Reusch habe selbst um seine Versetzung ersucht.

Es handelt sich wohl eher um ein Gegangenwerden. Oberstaatsanwalt Reusch hat die Intensivtäter-Abteilung mit Verve aufgebaut. Ich kann mir kaum vorstellen, dass er plötzlich keine Lust mehr hatte.

Am Wochenende sorgte eine weitere Personalie für Aufregung: Mit dem Staatsanwalt Rolf von Niewitecki sollte ein ehemaliger Vizelandeschef der rechtsextremen Republikaner in die Abteilung 47 wechseln. Die Behördenleitung hat nun anders entschieden. Richtig oder falsch?

Richtig. Jemand, der eine exponierte Stellung bei den Republikanern gehabt hat, ist nicht als Dezernent in der Abteilung 47 tragbar.

Warum argumentieren Sie anders als bei Reusch?

Herr Reusch stand niemals auch nur annähernd in dem Verdacht, in der rechten Ecke zu stehen.

Hat Justizsenatorin von der Aue ihren Laden noch im Griff?

Soweit ich weiß, wusste sie nichts von der Vorgeschichte bei den Republikanern. Die Frage Reusch hätte sie meiner Meinung nach gelassener handhaben können.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.