Pro und Contra: Soll man zur Obama-Rede gehen?

Warum man Obama an der Siegessäule sehen muss . Oder auch nicht.

PRO VON UWE RADA

Zugegeben: Die Sache mit dem Plakatverbot macht es nicht einfach. Obamas Team diktiert die Bedingungen, und das Berliner Jubelvolk soll trotzdem zur Siegessäule kommen - und alles für ein paar Bilder im US-Wahlkampf. Statist zu sein war noch nie so einfach.

Noch einfacher aber wäre es, einem Ereignis wie diesem fernzubleiben. Da kommt einer, der sich einem politischen Wandel, nicht nur in den USA, verschrieben hat - und plötzlich soll alles nur Show sein?

Und selbst wenn: Falls Barack Obama im November als erster schwarzer Präsident der USA gewählt wird und er nur die Hälfte von dem in Angriff nimmt, was er versprochen hat, ist das eine Show, die andere verpassen mögen. Ich nicht.

Aber es geht nicht nur ums Dabeisein. Es geht auch darum, Ansprüche zu formulieren. Dem Präsidenschaftskandidaten kann ein aufmerksames Publikum signalisieren, dass ein neuer Dialog zwischen Europa und den USA nicht nur aus Worten, sondern - Stichwort Klimaschutz - auch aus Taten bestehen muss.

Außerdem kann Berlin endlich zeigen, dass die Demos gegen den Irak-Krieg kein Antiamerikanismus waren, sondern Anti-Bush - und damit wichtig und richtig.

Ein bisschen Differenz aber kann nicht schaden. Jubelnde Fans, das kennt man von der Fanmeile oder aus dem Vorwahlkampf in den USA. Nachdenkliche Zuhörer, das wäre eine passender Beitrag aus good old Europe. Inszenierungen sehen jedenfalls anders aus - auch ohne Plakate.

Ach ja, und dann ist da noch die mäkelige CDU mit ihrer George-Doubleju-Kanzlerin. Die will alles - bloß nicht Obama. Warum? Ganz einfach: Es soll alles beim Alten bleiben. Das rumwurschteln, das verwalten, die Hinterzimmerpolitik - Etablishment halt. Obama dagegen würde auch Schwung in die hiesige politische Landschaft bringen.

Es sei denn, man zeigte dem Senator aus Illinois die kalte Schulter.

CONTRA VON BERT SCHULZ

Barack Obama hat sich Berlin als Ort für eine außenpolitische Rede ausgesucht. Eine schlaue Wahl: Ausgerechnet in jenem Land, das sich so deutlich wie kaum ein anderes in Europa gegen die US-amerikanische Weltpolitik unter George W. Bush ausgesprochen hat, will der Präsidentschaftskandidat der Demokraten versprechen, dass er nicht alles anders, aber vieles besser machen würde. Damit sich dieser Auftritt für seinen Wahlkampf in den Staaten medial ausschlachten lässt, braucht er eine Kulisse: am besten mehrere hunderttausend (zufriedene) Berliner vor dem Brandenburger Tor. Heute ist also Showtime.

Wer schon immer mal eine politische Statistenrolle ohne jeden Anspruch übernehmen wollte, für den ist das die Gelegenheit. Es geht darum, brav und politisch neutral einige Stunden herumzustehen: Plakate für oder gegen Obama sind unerwünscht, schließlich soll der Auftritt überparteilich daherkommen. Zum Abschluss dann eine kleine Jubelorgie - fertig ist die perfekte Inszenierung und der außenpolitische Blankoscheck für den demokratischen Kandidaten.

Damit kommt die amerikanischen Form des Wahlkampfs - die fast bedingungslose Unterstützung eines Kandidaten, weil der andere noch schlimmer ist - in Deutschland an. Wer sich damit zufrieden gibt, sollte nie wieder über nichts sagende Parolen und Aussagen deutscher Politiker im Wahlkampf schimpfen.

Ob Obama jener Heilsbringer ist, zu dem er derzeit stilisiert wird, muss sich erst zeigen. Dabei beweist die Geschichte: Das Beste an einem US-Präsidenten ist, dass er nach spätestens acht Jahren abgelöst wird. Veränderung - englisch: change, wie Obamas mantramäßig wiederholter Slogan lautet - ist also Teil des Systems. Dass es nach George W. kaum schlimmer werden kann, heißt nicht, dass die USA zum Hort der Guten, Aufrechten und Umweltbewussten werden, selbst wenn der Kandidat der Demokraten gewählt würde. Barack Obama ist nicht Jesus - man sollte ihn auch nicht so behandeln.

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Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.

Jahrgang 1974, war bis Juni 2023 Leiter der Berlin-Redaktion der taz. Zuvor war er viele Jahre Chef vom Dienst in dieser Redaktion. Er lebt seit 1998 in Berlin und hat Politikwissenschaft an der Freien Universität studiert.

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