Gerichtsentscheid zum Rauchverbot: "Wir brauchen das gesetzliche Rauchverbot"

Es gibt keine vergleichbare Maßnahme mit so durchschlagender Wirkung zur Verbesserung der Gesundheit, sagt Nichtraucheraktivist Johannes Spatz.

taz: Herr Spatz, einige Anwohner von Kneipen können nicht mehr ruhig schlafen. Denn die Trinker müssen jetzt zum Rauchen vor die Tür und lärmen herum. Wie schädlich ist diese Nebenwirkung des Rauchverbots für die Gesundheit der Anwohner?

Johannes Spatz: Das ist doch stark übertrieben, da Gesundheitsgefahren zu sehen. Wenn nächtlicher Lärm ein Problem ist, dann eher der Lärm von Autos und Lastwagen. Das urbane Leben mit den vielen Kneipen zum Beispiel in Kreuzberg macht den Bezirk doch erst so attraktiv. Und wenn sich jemand gestört fühlt und nicht schlafen kann, kann man schließlich noch das Ordnungsamt rufen.

Das Rauchverbot stört aber nicht nur die Anwohner, sondern treibt auch die Kneipen in den Ruin.

Das sind die Märchen, die der Gaststättenverband mit Unterstützung der Tabakindustrie verbreitet, um die öffentliche Diskussion anzuheizen. Die Rauchverbote in Irland, Italien oder New York zeigen, dass die Kneipen auf mittlere Sicht keineswegs weniger Umsatz machen.

Welche Folgen hat es, wenn das Verfassungsgericht am Mittwoch das Rauchverbot lockert?

Das wäre ein Rückschlag. Wir brauchen das gesetzliche Rauchverbot, weil die Versuche mit freiwilligen Selbstverpflichtungen keinen Erfolg gezeitigt haben. Wenn man will, dass jeder die Möglichkeit hat, rauchfrei in seiner Stammkneipe zu sitzen, darf man keine Ausnahmen zulassen. Wenn das Gericht den Kneipen freie Wahl lässt, ob sie ihre Gäste rauchen lassen oder nicht, würde das die Stimmung zwischen Rauchern und Nichtrauchern anheizen. Und in manchen Dörfern gibt es auch nur eine Kneipe, sodass die Nichtraucher dann keine Wahl hätten. Ich denke, wenn das Urteil so kommt, würde in ein paar Jahren das absolute Rauchverbot über den Umweg der EU wiederkommen. Es gibt keine vergleichbare Maßnahme, die eine so durchschlagende Wirkung zur Verbesserung der Gesundheit hat.

Und welches Verbot für die Gesundheit kommt als nächstes: Darf man bald wegen der Hautkrebsgefahr zum Beispiel nur noch mit Sonnencreme auf die Liegewiese?

Die Gegner des Rauchverbotes tun ja immer so, als ginge es darum, das Privatleben und die freie Entfaltung der Persönlichkeit zu begrenzen. In Wirklichkeit ist es aber die Tabakindustrie, die durch ihre Werbung in unser Privatleben eindringt und uns vorgaukelt, mit Zigaretten wäre das Leben schöner. Ich habe nichts gegen Raucher, ich sehe die als Opfer. Die meisten Raucher haben schon als Kinder oder Jugendliche angefangen und sind dann nicht mehr davon losgekommen. Ich bin daher dafür, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Raucher mit ihrem Rauch nicht andere schädigen und dass neue Raucher nicht mehr so leicht verführt werden können. Sonst bedeutet es nämlich, dass die Freiheit der Industrie über dem Gesundheitsschutz steht.

Warum rufen Sie jetzt dazu auf, die Kneipenwirte, die Raucher weiterhin rauchen lassen, bei den Ordnungsämtern anzuzeigen?

Das ist leider notwendig, weil aus der Politik die falschen Signale kommen. Einige Bezirke haben erklärt, dass sie nicht von sich aus in den Kneipen kontrollieren werden; das finde ich sehr problematisch. Da ist jetzt bürgerschaftliches Engagement gefragt.

INTERVIEW: SEBASTIAN HEISER

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