Debatte über jugendliche Straftäter: Körting wird hart bestraft

Berlins Innensenator kritisiert deutsche Gerichte: "Allesversteher und -verzeiher" hätschelten vor allem jugendliche Täter. Richter, Justizsenatorin und Grüne sind empört.

"Intellektueller Ausfall": Innensenator Körting Bild: AP

Die gestrige Rückkehr nach Berlin hatte sich Innensenator Ehrhart Körting (SPD) vermutlich angenehmer vorgestellt. Nach seinem Frontalangriff auf vermeintlich lasche Richter, die insbesondere jugendlichen Gewalttätern alles durchgehen ließen, hagelt es Proteste von Grünen und Geschmähten. Selbst Körtings Kollegin im Justizressort, Gisela von der Aue (SPD), gibt sich fassungslos. Körting verteidigt sich: Er bleibe bei seinen Äußerungen. Untergegangen sei aber sein Lob für die Entwicklung in Berlin, so der Innensenator: Hier sorgten sich Gerichte seit einigen Jahren wieder vermehrt um die Psyche der Verbrechensopfer und weniger um jene der Täter.

Körting hatte in einem am Samstag in Auszügen veröffentlichten Focus-Interview erklärt, mitverantwortlich für die Gewaltmisere bei Migranten seien zu lasche Richter, die junge kriminelle Ausländer als "Opfer spätkapitalistischer Produktionsweise" betrachteten. Diesen "Allesverstehern und -verzeihern" gehe es nur um die Psyche des Täters, die Psyche des Opfers sei etlichen Richtern "scheißegal". Zudem seien laut Gesetz auch 18-jährige Straftäter nur im Ausnahmefall als Jugendliche zu verurteilen, aber einige Richter hätten die Ausnahme zur Regel erhoben: "Sie und vor allem die Gutachter behandeln beinahe jeden 18- bis 21-Jährigen, als ob er Klein Doofi wäre", so Körting.

Senatorin von der Aue kann Körtings Worte nicht nachvollziehen: "Sowohl Staatsanwälte als auch Richter sind sich der Problematik zunehmender Jugendgewalt seit Jahren bewusst und haben längst darauf reagiert." Bereits seit 2003 würden jugendliche Täter deutlich härter bestraft. "Gleichzeitig ist die Zahl der Bewährungsstrafen zurückgegangen", sagt von der Aue.

Der Vorsitzende des Berliner Richterbunds, Peter Faust, erklärt Körtings Worte zum "intellektuellen Ausfall". Jugendrichter seien keinesfalls "Weicheier", sondern setzten das um, was das Gesetz ihnen vorgebe. Der Landesvorsitzende von Beamtenbund und Tarifunion (dbb), Joachim Jetschmann, rügt: Es stehe dem Innensenator nicht zu, über die Tätigkeit der unabhängigen Jugendrichter zu richten. Die Justizsenatorin müsse dafür sorgen, dass Körting sich nicht ständig in ihren Kompetenzbereich einmischt.

Eine Entschuldigung des Innensenators fordert der Grünen-Fraktionsvorsitzende Volker Ratzmann. "Körtings Äußerungen sind eine völlig unverständliche Kehrtwende." Dadurch mache sich der SPD-Politiker zum Handlanger des CDU-Hardliners und hessischen Wahlkämpfers Roland Koch (CDU). "Die Meinung, Jugendrichter würden immer nur den Finger heben und mit Wattebäuschen werfen, stimmt einfach nicht." Die bestehenden Gesetze des Jugendstrafrechts findet Ratzmann völlig ausreichend, zudem würden diese seit Jahren immer rigider angewandt. "Noch vor wenigen Jahren war Berlins Jugendknast nur zu 80 bis 90 Prozent gefüllt, heute ist er mit 120 Prozent überbelegt." Angesichts der aufgeheizten Debatte drohe das politische Klima nun vollends zu kippen.

Von seinen Äußerungen habe er nichts zurückzunehmen, erklärt Körting gegenüber der taz. "Das Opfer spielt bei uns im Strafrecht oft nur eine Rolle als Mittel zum Zweck der Strafverfolgung, nicht als leidendes Subjekt", urteilt der Senator. "In Berlin ist die Zeit des Alles-Verstehens und -Verzeihens allerdings vorbei. Heute werden die Regeln des Strafrechts rigider angewandt als noch vor wenigen Jahren, beispielsweise bei Steinewerfern am 1. Mai."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.