neben dem fußballfeld
: Was taube Schiedsrichter alles anrichten können

Ein Unbedarfter würde wahrscheinlich behaupten, in der „Freizeitliga“ sei Fußball nichts weiter als ein Spiel. Sportgerichte benötige man dort nicht, weil es den Beteiligten nur um die Gaudi gehe.

Die Wirklichkeit sieht anders aus – zumindest in Berlin. Die Akteure sind überaus ehrgeizig. Und seit gut 20 Jahren wacht Martin Bux sehr genau über Recht und Ordnung beim Spielbetrieb der Hobbykicker. Vermutlich bekleidet der 71-jährige Bux als „Referent Freizeitliga“ den unbedeutendsten Posten im Berliner Fußballverband (BFV). Dennoch ist er gerade dabei, in seiner Rolle des gestrengen Prinzipienreiters den BFV in größte Verlegenheit zu stürzen. Denn Bux möchte Hobbykicker vors Sportgericht zitieren, die lediglich darum gebeten haben, einen Schiedsrichter nicht mehr einzusetzen, der sich gegenüber antisemitischen Beschimpfungen als schwerhörig erwiesen hat.

Gemeint ist der Unparteiische Klaus Brüning. Er wurde vom Sportgericht lebenslang gesperrt, weil er im Herbst 2006 antisemitische Hasstiraden von Zuschauern bei der Partie des jüdischen Vereins Makkabi Berlin in Altglienicke konsequent ignoriert hatte. Wegen eines Formfehlers musste das Urteil jedoch revidiert werden. In einem zweiten Verfahren stellte man Brüning in Aussicht, nach einer einjährigen Sperre zumindest wieder bei den Senioren und in der Freizeitliga zu pfeifen. Gemäß dem Richterspruch leitet Brüning seit Anfang 2008 wieder Spiele.

Die Mitglieder des THC Franziskaner FC halten das für unzumutbar. Brüning, so ihre Überzeugung, sei nach einem derartigen Fehlverhalten für ihre Liga, in der viele Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammenspielen, ungeeignet. „Auf dem Feld herrscht der Straßenslang vor. Hier ist besonderes Fingerspitzengefühl notwendig“, sagt der Pressebeauftragte des Franziskaner FC, Malte Kleinwort.

In einem Gespräch mit dem BFV-Vizepräsidenten Gerd Liesegang hatte Kleinwort erfahren, dass niemand im Verband dazu verpflichtet sei, einen bestimmten Schiedsrichter pfeifen zu lassen. So bat er in einer E-Mail den Ansetzer der Unparteiischen, von seinem Recht der Nichtberücksichtigung Gebrauch zu machen. Eine Antwort erhielt Kleinwort nicht; Brüning pfiff weiter.

Als dann Kleinwort eine Presseerklärung verfasste und rundum zum Unterschreiben verschickte, rief ihn Martin Bux an. „Im Kasernenton“ habe ihn dieser, so Kleinwort, angewiesen, jene „Unverschämtheit“ zurückzunehmen, andernfalls würde er vors Sportgericht gehen. Dabei habe er doch nur an die Verantwortlichen „appelliert“, wendet der perplexe Freizeitfußballer ein. „Wir lassen uns zu nichts zwingen“, erklärt dazu Bux. Wie er seine Klage vor Gericht begründen möchte, verrät er allerdings nicht. Auf Nachfragen hin wird er wütend und hängt den Telefonhörer auf.

Bernd Schultz, der BFV-Präsident, sieht keine Grundlage für eine Beschwerde. Zudem bezweifelt er, dass Bux überhaupt vors Sportgericht ziehen dürfe. Die Freizeitliga sei kein selbstständiges Verbandsgremium, sagt er. In der Sache selbst hätte sich Schultz weniger Öffentlichkeit gewünscht. Er betont, er halte es für falsch, über Presseerklärungen Probleme lösen zu wollen. Die Zuspitzung des Konflikts durch Bux missfällt ihm aber besonders. „Ich kann diese Diskussion jetzt überhaupt nicht gebrauchen“, erklärt Schultz. Woche für Woche sei der Verband derzeit mit erneuten antisemitischen und rassistischen Vorfällen konfrontiert. Zuletzt wurde am 20. April ein dunkelhäutiger Makkabi-Fußballer von seinem Gegenspieler vom BFC Viktoria 1899 lautstark als „Scheiß-Neger“ beschimpft. Die Beleidigung blieb entgegen den Statuten unbestraft, ein protestierender Makkabi-Spieler hingegen wurde vom Platz gestellt.

Innerhalb des BFV gibt es noch viel zu tun. Das verdeutlicht eben auch die unerbitterliche Parteinahme von Martin Bux für den umstrittenen Klaus Brüning.

JOHANNES KOPP