Ein buntes Fest ersetzt den schwarzen Block

Tausende sollen am Samstag für Freiräume demonstrieren. Und die Organisatoren nehmen sich den Freiraum, ein neues Demo-Konzept erproben

Es sind in der Regel Altbauten, Anfang der 90er-Jahre besetzt, bunt angemalt, später ein Mietvertrag abgeschlossen, oft mit kulturellen Einrichtungen, Infoläden oder Cafés. Und viele von ihnen sehen sich nach einem Verkauf an einen Privatinvestor oder eine Firma in ihrer Existenz bedroht. Mit einer Demonstration für mehr Freiräume in Berlin wollen ihre Bewohner und Nutzer daher am Samstag (siehe Spalte) auf die Straße gehen. 4.500 Teilnehmer aus ganz Deutschland erwarten die Organisatoren.

Doch vor dem Protest stand die Selbstkritik. Als sich Mitglieder von bedrohten Haus- und Wohnprojekten zusammensetzten, um die Demonstration zu planen, nahmen sie in ihrem Umfeld eine grassierende Demo-Müdigkeit wahr. „Unzufrieden“ seien die politisch Aktiven, stellten sie fest. Wer kämpferisch auftrete, wirke zu aggressiv, wer nicht kämpferisch auftrete, langweilig. So werde es schwierig, eine politische Forderung mittels Demonstration in die Öffentlichkeit zu tragen. Und überhaupt seien immer die gleichen Leute auf der Straße. „Die Situation war unglaublich frustrierend“, sagt Anna vom Organisationsteam. Umstrittenes Auftreten, das zu Überwachungsmaßnahmen der Polizei, zu Kesseln und Kontrollen geführt habe, habe auf Außenstehende, die vielleicht sogar mit den Zielen der Aktivisten sympathisierten, „einen total abschreckenden Charakter“. „Es gab auch Diskussionen, gar keine Demo mehr zu machen, sondern etwas ganz anderes“, sagt Anna. Doch letztlich habe man es einfach noch mal probieren wollen.

Vom Konzept des schwarzen Blocks, einer Gruppe schwarz gekleideter und – soweit es die Polizei erlaubt – nicht individuell zu erkennender Teilnehmer, wollen sich die Aktivisten daher zumindest vorübergehend verabschieden. Stattdessen wollen sie am Samstag etwas Neues erproben: Vielfältige Veranstaltungen um die Demo herum statt Aktionen eines schwarzen Blocks aus der Demo heraus.

Bereits am Freitag gab es Infostände, Workshops zu Themen von Gentrification bis Rechtshilfe, Bewohner von Wagenburgen wollen mit Lkws vorbeikommen und das Leben auf einem Wagenplatz anschaulich machen. Am Sonntag geht das Wochenende mit einem gemeinsamen Frühstück zu Ende.

Die Organisatoren wünschen sich, dass das Programm nicht nur die ansässigen und angereisten Aktivisten unterhält, sondern auch Menschen mobilisiert, die sonst nicht zu den Demonstrationen der Hausbesetzer kommen. Und dass sich mit neuen Slogans auch wieder jüngere Teilnehmer auf die Straße trauen. SVENJA BERGT