Berlins Bildungssystem ist sehr teuer: Dumm an der Spitze

Berlin gibt viel für Bildung aus - die Erfolge aber sind gering. Das liege an der "Leistungsbreite" der Schüler, so der Schulsenator. Nein, an Fehlplanung, sagen Kritiker.

Berlins Schüler sind teuer und schneiden trotzdem schlecht ab. Bild: AP

"Spitze" findet Schulsenator Jürgen Zöllner (SPD) Berlin in Sachen Bildungsfinanzierung - und hat damit Recht. Jedenfalls, wenn man darauf schaut, wie viel Geld die Stadt in jeden ihrer Schüler investiert. Mit 5.600 Euro liegt Berlin weit über dem Bundesdurchschnitt von 4.700 Euro jährlicher Investition pro SchülerIn. Nur Hamburg zahlt mit 5.700 noch mehr.

Kalter Wind pfeift aber um Zöllners Spitze, kombiniert man diese Werte, die der Bildungsfinanzbericht des Statistik-Bundesamts diese Woche lieferte, mit denen, die die Ländervergleichsstudie auf Basis der Pisa-Ergebnisse eine Woche zuvor bot. Auch da steht Berlin fast am Ende der Skala - aber am anderen. Ob beim Lesen, Rechnen oder in Naturwissenschaften: die teuren HauptstadtschülerInnen belegen durchweg hintere Plätze. Noch schlechter waren - neben Hamburg - nur Niedersachsen, das bei Bildungsausgaben unter, und Bremen, das über dem Bundesdurchschnitt liegt.

Woran liegt das? Es gebe in Berlin eben eine größere "Leistungsbreite" als anderswo, so des Senators Kommentar zum Finanzbericht: SchülerInnen aus "sozial schwachen Schichten" oder mit Migrationshintergrund hätten einen "enormen Nachholbedarf". Um diese "Schwächeren zu stärken und die Stärkeren noch stärker zu machen", investiere Berlin extra viel.

Tatsächlich führt Berlin mit den anderen Stadtstaaten die Tabelle an, wenn es darum geht, wie viel Geld pro SchülerIn für Personalkosten ausgegeben wird. Auch der Schüler-Lehrer-Schlüssel, der besagt, wie viele SchülerInnen pro LehrerIn es gibt, ist in Berlin mit 15 günstiger als in den meisten anderen Ländern, wo er bei 17 bis 18 liegt.

Dass dennoch immer mehr Schüler bei Pisa-Tests nur die unterste Kompetenzstufe erreichten, ließe sich nicht mit einer besonders großen Leistungsbreite erklären, meint Mieke Senftleben, bildungspolitische Sprecherin der FDP: "Schlaue und blöde Schüler gibt es doch überall gleich viel!" Als Problem sieht die Abgeordnete eher, dass nach wie vor zu viele Kinder mit zu wenig Deutschkenntnissen eingeschult würden - obwohl Berlin auch bei den Ausgaben für vorschulische Bildung ganz vorn liegt: Gut 18 Prozent des Bildungsetats gehen an Kindertageseinrichtungen, im Bundesdurchschnitt sind es 12,4 Prozent.

Und den guten Lehrerschlüssel hält die FDP-Frau für einen Papiertiger, denn in Berlin seien Schulklassen im Bundesvergleich eher groß. Es gebe zwar viele Lehrkräfte, so Senftleben, doch: "Nicht alle sind da, wo sie hingehören, nämlich in Schulklassen und mit Unterricht befasst." Von den etwa 22.000 Vollzeitlehrerstellen fielen circa 2.000 aufgrund von Ermäßigungsstunden oder Sonderaufgaben wie etwa Personalratstätigkeiten oder der Betreuung von Bezirksschulgärten einfach weg. "Manches davon ist richtig und wichtig", so die Bildungspolitikerin. Dennoch gehöre "das alles mal auf den Prüfstand".

An solchen Rechnereien mag der Sprecher der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Peter Sinram, sich am liebsten gar nicht beteiligen - sie liefen meist doch nur auf Kürzungen hinaus. "Berlin hat bestimmte bildungspolitische Entscheidungen gefällt", so der GEW-Sprecher, etwa die gemeinsame Erziehung behinderter und nicht behinderter Kinder. Die brauche viel Personal. "Statistiken bilden eben nur die Kosten, nicht die pädagogischen Vorteile solcher Maßnahmen ab", so Sinram. Alke Wierth

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