Carl Wechselberg bleibt in der Fraktion: "Ich will keine quälende Hängepartie"

Seine Ämter hat er abgegeben, doch das "rot-rote Projekt" will Carl Wechselberg nicht gefährden.

Carl Wechselberg, 40, sitzt seit 2003 für die Linkspartei im Berliner Abgeordnetenhaus. Wegen Kritik an der Bundespartei hatte er vergangene Woche alle politischen Ämter nieder gelegt, seinen Parlamentssitz aber behalten.

taz: Herr Wechselberg, Sie haben Ihre Ämter niedergelegt und über einen Austritt aus der Linkspartei nachgedacht - was hat Sie dazu bewogen?

Carl Wechselberg: Der massive Dissens, den ich zur Ausrichtung der Bundespartei sehe. Ich bin als Haushaltspolitiker ein Vertreter einer realpolitischen Grundhaltung. Dem gegenüber steht eine sektiererische und populistische Grundhaltung der Bundespartei, die keine Perspektive hat, die zu politischen Mehrheiten führt. Darüber hinaus wird die SPD als Hauptfeind dämonisiert, statt sie als möglichen Bündnispartner zu betrachten.

Können Sie Beispiele nennen?

Ich nenne Ihnen drei Beispiele. Zunächst die Haltung der Linkspartei zum Konjunkturpaket II der Bundesregierung. Die Linke hat das Konjunkturpaket abgelehnt, obwohl sie über Monate hinweg eines gefordert hatte. Dabei ist ein verbesserungswürdiges Konjunkturpaket besser als gar keines. Das zweite Beispiel ist der EU-Verfassungsvertrag. Natürlich kann man den kritisieren, und das tue ich auch. Aber er ist besser als der Status quo. Eine Linke, die sich an dieser Stelle verweigert, kann ich schwerlich noch als meine politische Heimat ansehen.

Und das dritte Beispiel?

Die Erbschaftsteuer. Natürlich ist die Erbschaftsteuerregelung der großen Koalition unzureichend, aber sie ist besser als keine Regelung zur Erbschaftsteuer. Und eine Linke muss die Kraft finden, so eine Regelung zu kritisieren. Sie muss aber auch die Kraft dazu finden, dass es überhaupt eine Regelung gibt. Und sie muss die Kraft finden, den Menschen das Ganze zu erläutern.

Teilen andere Abgeordnete der Linkspartei Ihre Bedenken?

Ich möchte nur ungern anderen meine Kritik in den Mund legen. Aber es gab am Dienstag in der Fraktion eine meinen Bedenken sehr zugewandte Diskussion. Was mich vor allem nervt, ist, wie Berlin zum Sandsack für jeden dahergelaufenen Kritiker der rot-roten Koalition wird. Das nervt sicher auch viele andere Kollegen. Da hätten wir von den führenden Kräften weit mehr Unterstützung erwartet.

Welchen Einfluss hat der Übertritt Canan Bayrams zu den Grünen?

Er führt dazu, dass ich in der Fraktion Die Linke bleibe. In dieser Hinsicht ist mir tatsächlich die Bewegungsfähigkeit genommen. Ein Austritt würde dazu führen, dass ich das rot-rote Projekt gefährde. Und das ist das Projekt, dem ich am verbindlichsten gegenüberstehe. Da hat die Opposition jetzt einfach Pech.

Wären Sie ausgetreten, wäre Bayram noch in der SPD?

Ich hätte mir die Frage, ob ich in der Fraktion verbleiben kann, intensiver gestellt. Jetzt gab es aber die erste systematische Auseinandersetzung mit meiner Kritik, und das ermöglicht mir, dass ich ohne zu große Schmerzen in meiner Fraktion bleiben kann.

Können Sie ausschließen, dass Sie die Fraktion in dieser Legislaturperiode verlassen?

Das hängt auch von der Entwicklung der Berliner Linken ab und in welchem Umfang sie sich gegen den Druck der Bundespartei zu behaupten vermag. Auch dort gibt es Grenzen. Aber sie sind bedeutend höher gesteckt als bei der Parteimitgliedschaft.

Eine Rolle als Parteiloser in der Fraktion könnten Sie sich eher vorstellen?

Natürlich. Das ist möglich. Ich beabsichtige allerdings nicht, eine quälende Hängepartie daraus zu machen. Eine Entscheidung wird es in den nächsten Tagen geben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.