Tücken der Liebe

Der Regisseur Ernst Stötzner inszeniert im Zelt des Deutschen Theaters „Mirandolina“, ein Charakterstück des italienischen Theaterreformers Carlo Goldoni, und gerät zwischen Komödie und Tragödie kräftig ins Schwanken

Constanze Becker geht barfuß. Manchmal baut sie kleine Hüpfer ein.

Ansonsten versetzt sie als allumworbene Gastwirtin ihr marmorstarkes Gesicht mit den dunkel glühenden Augen in typische Kokettierposen: Kinn geneigt, Blick von unten, vielsagende Augenaufschläge, zur rechten Zeit ein kleines Lächeln. Oder auch mal überm nackten Bein berechnend geschürzte Röcke.

Constanze Becker ist „Mirandolina“, die geschäftstüchtige Titelheldin der Liebes-Klamotte von Carlo Goldoni aus dem Jahr 1752. Es war die Zeit, als die Commedia dell’arte mit ihren auf Figurentypen festgelegten Spielakrobaten in Italien langsam vom Texttheater abgelöst wurde. Carlo Goldoni, in dessen Komödien die Typenmuster noch deutlich durchscheinen, kommt in diesem Prozess eine Hauptrolle zu.

In den Karikaturen, die Regisseur Ernst Stötzner für die zweite Zelt-Premiere des Deutschen Theaters auf die mit Hellholz-Möbeln und aufgestellten Türbögen bestückte Bühne stolpern und stolzieren lässt, ist noch etwas davon enthalten.

Am deutlichsten bei Jörg Gudzuhn und Stephan Grossmann, die mit ins Lächerliche aufgetürmten Perücken, geschminkten Gesichtern und wohldosierter Übertreibungskunst die beiden albernen Adeligen geben, die sich – gemäß der jeweiligen Adelstitel und Kassenlage – mit Geld oder Protektionsgunst um Mirandolina bemühen.

Deren Ehrgeiz wird jedoch einzig von jenem Ritter angestachelt, der von sich behauptet, alle Frauen zu verachten. Doch es kommt, wie es kommen muss: Der Ritter wird unter Mirandolinas kalkulierten Flirtattacken butterweich, sie selbst entgegen ihrer Gewohnheit von Verliebtheit befallen, und das Happy End nur durch das beiderseitig festgeschnürte Stolz- und Prinzipienkorsett verhindert.

Constanze Becker und Mathis Reinhardt spielen das in der ansonsten munter auf die Komödienklopper setzenden Veranstaltung jäh unpassend als große Tragödie. Reinhardt krallt als Ritter von der schnaubenden Gestalt die Finger, reißt Hemd und Augen auf, während Becker vor allem dann in ihrem Element ist, wenn sie sich gegen Ende die Wut über seine Gefühlsverleugnung aus dem Leib schreien kann.

Darüber soll, mutmaßlich, nicht nur gelacht werden. Doch wird es gerade in der Dissonanz zur umgebenden Zirkuswelt ungewollt komisch. Constanze Becker ist überragend in der kompromisslosen Wucht, die sie etwa ihrer Klytämnestra leiht – eine Durch-und-durch-Tragödin.

Auch als Frau John in den „Ratten“ und als „Onkel Wanjas“ Elena zeigt sie sich als Meisterin des Herben und erdenschwer Desillusionierten, der wehrhaften Verzweifelung. Dafür wurde sie in der Theater-heute-Umfrage gerade zur Schauspielerin des Jahres gewählt.

Aber Komödiantin ist Constanze Becker nicht. Mit ihren Figuren ist es ihr bitterernst, so auch mit Mirandolina. Das Spiel wirkt nicht leicht, die Stimmungssprünge nicht behände, das Kokette eben posenhaft – trotz Barfuß keine Leichtfüßigkeit. In der Komödie ein Fremdkörper. ANNE PETER

Nächste Aufführungen am 17., 18. und 26. September, jeweils um 19.30 Uhr