Stadtwerder: Freund Baum lebt

Der Beirat Neustadt hat die Pläne des Bauressorts für das Wäldchen an der Kleinen Weser abgelehnt. Die Entscheidung wurde dabei aber nur aufgeschoben

Sichtschneise ja, aber nur nach oben Bild: dpa

Klare Fronten am Donnerstag Abend. Auf der Tagesordnung des Neustädter Beirats steht die Planung des Bauressorts für die Grünflächen auf dem Stadtwerder. Dagegen läuft seit Juli die Bürgerinitiative Kleiner Stadtwerderwald Sturm. Heute, so die Ankündigung, würde der Beirat endgültig über das Vorhaben der Behörde entscheiden.

In dessen Hände hatte Bausenator Reinhard Loske (Grüne) das Schicksal der Bäume gelegt, die das Ufer der Kleinen Weser säumen. Ginge es nach ihm, Loske, so würden sie einer ellipsenförmigen Sichtachse von der so genannten umgedrehten Kommode zur Neustadt weichen. Die wird nicht kommen, entscheidet der Beirat am Donnerstag. Er lehnt die Pläne der Baubehörde mit großer Mehrheit ab. Und fällt keine Entscheidung über die Zukunft.

Schon im Flur vor der Aula der Wilhelm Kaisen Schule hatte die Initiative ein großes Banner aufgehängt. Im Saal waren die exakt 307 Sitzplätze fast komplett belegt gewesen. Die Neustadt scheint fast komplett gekommen zu sein, Dreiviertel scheinen zur Bürgerinitiative zu gehören. "Keine Abholzung" und "Rettet den Stadtwerderwald" hatte auf den Buttons gestanden, die zahlreiche Jacken schmückten.

Schon seit Juli kämpft die Initiative unbeirrt für Eichen, Buchen und Birken an der Kleinen Weser. 7901 Unterschriften hat sie gesammelt und an Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) übergeben, die Umweltverbände Nabu und BUND gegen die Behördenpläne mobilisiert, Samba getanzt, Mahnwachen gehalten und sich mit Training im gewaltfreien Widerstand auf den Ernstfall vorbereitet.

"Den Konflikt hat niemand hier im Haus so erwartet", sagte Bausenator Reinhard Loske (Grüne) im September im taz-Interview. Da hatte sein Ressort schon die ursprünglichen Pläne für das Grün rund um das Neubaugebiet an der umgedrehten Kommode abgespeckt: Weniger Wege durch den Waldstreifen, nur eine statt zwei Sichtachsen zur Neustadt. Über die Pläne solle der Beirat entscheiden, verkündete Loske, nachdem auch Grünen-Fraktionschef Matthias Güldner den Erhalt des Wäldchens gefordert hatte.

Nur die drei CDU-Vertreter stimmen am Donnerstag für Loskes Vorhaben. Die anderen - Linksfraktion, SPD, sogar die Grünen - votieren gegen die Behördenpläne. Johlender Applaus der Baumfreunde bricht los, als das Ergebnis verkündet wird.

Für sie ist das allerdings nur ein Etappensieg. Denn so wirklich genutzt hat der Beirat seine Entscheidungsbefugnis nicht. "Um zu Ruhe und Besonnenheit überzugehen", erklärt Grünen-Vertreter Ingo Mose, beantrage seine Fraktion ein Moratorium. Über drei Jahre. In dieser Zeit sollen in einem breiten Beteiligungsverfahren neue Pläne für den Grünstreifen erarbeitet werden. "Dabei wollen wir die Expertise der Bürger einbeziehen", so SPD-Beirat Jens Oppermann, "und fordern mehr Bürgerbeteiligung, als gesetzlich vorgesehen ist." Nicht nur Initiative und Anwohner wolle man befragen, auch Institutionen aus dem Stadtteil wie die Schwankhalle oder die Rudervereine.

"Natürlich wirkt ein Moratorium, als wolle man die Entscheidung auf die lange Bank schieben", sagt Oppermann der taz, "in dieser Sache ist es aber sinnvoll." Zu emotional sei das Thema, zu festgefahren die Positionen von Bürgerinitiative und Baubehörde.

Dort gibt man sich am Tag nach dem Beirats-Entscheid einsilbig. "Wir respektieren die Entscheidung", sagt Behördensprecher Michael Ortmanns gestern, "und werden entsprechend handeln." Zu dem Versprechen, nichts gegen den erklärten Willen des Beirats zu tun, stehe man "unzweifelhaft". Offen ist, welche Verbindlichkeiten die Behörde bereits gegenüber den Investoren eingegangen war. Abgeschlossen hatte man einen städtebaulichen Vertrag. Die Grünplanung samt Sichtachsen ist Teil dessen. Offen ist auch, ob die Investoren den freien Blick nun trotz des Beirats-Votums weiterhin einfordern werden. Für eine Stellungnahme war die zuständige Entwicklungsgesellschaft Vorderer Stadtwerder am Freitag nicht zu erreichen. Die Frage der vertraglichen Verpflichtung? Behördensprecher Ortmanns druckst herum. "Dazu sagen wir nichts."

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