Kubas unverblümter Punkrocker

Mit Raúl an der Spitze bleibt die Scheiße genau die gleiche“ ist einer der typischen Sätze von Gorki Luis Águila. Der Sänger und Gitarrist der 1998 gegründeten Punkband Porno para Ricardo nimmt kein Blatt vor den Mund. Trotz Auftrittsverbots in Kuba sind Band und Frontmann recht bekannt. Ein Grund ist die Homepage der Band, wo man Musik und Videos runterladen kann, ein anderer, dass Águila das Recht auf freie Meinungsäußerung konsequent beansprucht und sich nicht einschüchtern lässt. Nicht von Vorladungen auf die Polizeistation in der Avenida Tercera, wo er fast die gesamte vorige Woche verbrachte, und auch nicht von Haftstrafen.

Zwei Jahre Haft und zwei Jahre auf Bewährung wurden dem 39-jährigen Musiker bereits 2003 aufgebrummt, damals wegen Rauschgiftdelikten. Vorige Woche Freitag wäre der Punkrocker fast erneut zu vier Jahren Haft verurteilt worden, diesmal wegen „sozialer Gefährlichkeit“. Eine Präventivbestimmung, die häufig gegen unliebsame Personen ins Feld geführt wird. Águila gilt im offiziellen Kuba als „Gefährdung der Gesellschaft“, und er hat, wie es im Strafgesetzbuch definiert ist, eine „besondere Neigung, Verbrechen zu begehen“.

Das Verbrechen: seine Meinung kundzutun, und dies mit einer Vehemenz, die in Kuba selten ist. Erst im Juni wurde der Siebdrucker, der Plakate für Kinofilme entwirft, aufs Revier in der Avenida Tercera gebracht, um Nachbarn und Parteifunktionären Rede und Antwort zu stehen. Doch heimlich schnitt er mit und gab danach eine Erklärung ab, in der er seine grundsätzliche Opposition zum Staat beschrieb.

Neue Freunde in Partei und Staat dürfte sich der Vater einer elfjährigen Tochter damit nicht gemacht haben, und ganz unwahrscheinlich ist es nicht, dass die jüngste Verhaftung genau damit zusammenhängt. Da wurde Águila aus dem Haus seines Vaters während einer Aufnahmesession abgeholt und auf die Wache gebracht. Erst vier Tage später kam er frei.

Da konnte der Punkrocker mit dem Silberring in der Nase schon wieder lachen, denn die vom Gericht verhängte Strafe von umgerechnet rund 30 Euro ist ausgesprochen mild. Das Geld beglich Vater Águila bereits, und der unbequeme Sohn weiß genau, wem er das Urteil zu verdanken hat. „Dem Druck der Leute, die sich mit mir solidarisiert haben. Das ist der Beweis, dass man die Sachen ändern kann, wenn man sich vereint“, sagte Águila in einer Pressekonferenz im Haus seines Vaters. Vor allem über das Internet, über die Bloggercomunity, liefen die Proteste, und im Internet soll bald das neue Album von „Porno para Ricardo“ stehen. Die letzten 5 der 13 Stücke will Águila bald einsingen.

KNUT HENKEL