Alles Gute kommt von unten

Wasser marsch: Wenn die SWB die „Umgedrehte Kommode“ leer laufen lässt, beginnt in Bremen ein neues wassertechnisches Zeitalter. Die Probleme der Grundwasserentnahme sind freilich ungelöst

Während Bremerhaven seine EinwohnerInnen zu 100 Prozent mit eigenem Grundwasser versorgen kann, werden in Bremen nur 20 Prozent des Bedarfs selbst gefördert. Das geschieht im Wasserwerk Blumenthal, in dessen Schutzgebiet jetzt allerdings ein Autohaus samt Kfz-Werkstatt angesiedelt werden soll (taz berichtete). Weitere 15 Prozent kauft Bremen aus Oldenburg/ Ostfriesland, 29 Prozent vom Trinkwasserverband Verden. Weitere 36 Prozent kommen von den Harzwasserwerken, die mit ihrem guten Namen allerdings vor allem Wasser aus dem Flachland verkaufen – das Bremer Kontingent stammt in erster Linie aus dem bei Syke gelegenen Ristedter Brunnen. Mit 4,77 Euro pro Kubikmeter – inklusive Abwasser – entspricht der hiesige Verbraucherpreis laut SWB in etwa dem bundesweiten Schnitt. Die Bremer Trinkwasserqualität ist nach Angaben des BUND Naturschutz im bundesweiten Spitzenbereich. Der Nitratgehalt liegt mit 10 Milligramm pro Liter deutlich unter der zulässigen Höchstgrenze von 50 Milligramm. HB

Von HENNING BLEYL

Zu einer ordentlichen Immobilienübergabe gehört die Entsorgung des alten Inventars: Im Fall der SWB, die Ende Oktober die „Umgedrehte Kommode“ an Investor Sven Gläss übergibt – er will auf dem Dach ein Restaurant einrichten – sind das in erster Linie eine Million Liter Wasser. Bislang sorgten sie mit ihren 39 Metern Fallhöhe für den notwendigen Druck im Bremer Leitungssystem, falls die Pumpen mal ausfielen. Diese Funktion soll jetzt ein gewaltiger Dieselmotor übernehmen, der derzeit im benachbarten Pumpenhaus installiert wird.

Trotz des Verkaufs der 135 Jahre alten „Kommode“ sowie weiterer 100.000 Quadratmeter Bauland bleibt der Stadtwerder wasserwirtschaftlich wichtig. In den Becken hinter der „Kommode“ wird weiterhin der gekaufte Bremer Wassermix gemischt (siehe Kasten), 7.000 Quadratmeter zusätzlicher Fläche bleiben nach Angaben von SWB-Sprecher Christoph Brinkmann für den Fall reserviert, dass Bremen wieder eigenes Trinkwasser aus der Weser gewinnt. Bereits vor acht Jahren hat die SWB mit Wasser aus dem Werdersee experimentiert – das allerdings habe sich als zu teuer erwiesen.

Doch auch im Bremer Umweltressort sieht man die Weser als langfristige potentielle Versorgungsalternative. Immerhin nutzte die Stadt ihren Fluss bis 1979 in erheblichem Maß zur Trinkwasser-Gewinnung, in Sonderfällen sogar bis weit in die 80er Jahre hinein. „Warum sollen wir unseren Nachbarn das Grundwasser wegsaufen, wenn wir einen schönen Fluss haben?“, fragt ein Fachmann des Ressorts.

In den kommenden Jahren könnte der Rückgriff auf das Oberflächenwasser ohnehin aktuell werden. Die meisten Verträge der SWB mit den umliegenden Trinkwasserverbänden, in der Regel mit einer 30-jährigen Befristung ausgestattet, laufen in absehbarer Zeit aus. 2012 endet etwa der Vertrag mit dem TV Verden, dem Bremen jährlich acht Millionen Kubikmeter abkauft. Diese Mengen bleiben – so vermuten es zumindest Naturschützer und einige Fachleute – nicht folgenlos: Insbesondere kleinere Fließgewässer wie der Halsebach hätten stark gelitten. Früher soll der Aller-Zufluss fünf Mühlen angetrieben haben, heute ist er nur noch ein Rinnsal. Nachdem bereits die Universität Bremen einen kritischen Befund vorgelegt hat soll nun ein weiteres geologisches Gutachten klären, ob die Voraussetzungen für eine neuerliche Wasserentnahme-Genehmigung noch gegeben sind.

Die drastischen Auswirkungen des Hamburger Grundwasserverbrauchs auf die Vegetation der Nordheide sind seit Längerem bekannt, in Nordrhein-Westfalen hingegen versorgen sich etliche Kommunen wieder aus der früher stark verschmutzten Ruhr. Der entsprechenden Nutzung der Weser steht allerdings die Ankündigung des Kasseler Düngemittelkonzerns „K+S“ gegenüber, die Einleitung seiner Produktionsrückstände um zehn Prozent zu steigern.

Derzeit lässt „K+S“ jährlich rund sieben Millionen Kubikmeter konzentrierte Salzlauge in die Werra fließen, was in Bremen zu einer Belastung von 300 Milligramm Chlorid pro Liter führt. Nun wird überlegt, den Fluss mit einer 400 Kilometer langen Pipeline, die die Lauge direkt in die Außenweser oder die Außenems transportiert, zu entlasten.

„Das kann durchaus eine realistische Option werden“, sagt Hans-Peter Weigel, der für das Bremer Umweltressort in einer länderübergreifenden Arbeitsgruppe sitzt. Seit März prüfen die Fachleute die Chancen des 500 Millionen Euro teuren Projektes. Eine abschließende Umweltverträglichkeitsprüfung für die Nordsee steht nach Weigels Angaben allerdings noch aus.